Offener Brief: Unkultivierte Aneignung
Stadtleben // Artikel vom 22.04.2024
Der Studiengang Angewandte Groteske im KIT bastelt für Mitwesen.
Wer etwa Soziale Arbeit studiert, bekommt am ersten Tag des ersten Semesters verdeutlicht, dass vor dem Start eines Projekts die Einbeziehung aller erfolgen muss, die davon betroffen sein könnten. Mit derlei demokratischem Firlefanz hat sich die Sparte der Architektur freilich selten abgegeben; als quasi einzige Disziplin, die von der Reflexion ihrer Verstrickungen in die Totalitarismen des 20. Jh. bislang verschont blieb, hält sie es mehr mit dem Machbarkeitswahn: Der Architekt (selten bislang die Architektin) huldigt noch immer dem alten Geniegedanken und schafft Fakten nach Gusto. Schlimm, wenn es sich dabei um Wohnungsbau handelt, wo dann Menschen in den Fieberträumen von Rasterfetischisten leben müssen; skurril, wenn sich die Branche tatsächlich einmal nach draußen wagt und Kontakt sucht – freilich nach ihren eigenen Bedingungen.
Am 21.4. wurde auf dem (von wem eigentlich?) Katzenwedelwiese genannten Streuobstwieslein in der St. Florian-Str. ein Hochsitzcafé eröffnet. Drei Holzkonstruktionen, optisch auf halbem Weg zwischen dem Ikea-Unterstand „Weidmannsheyl“ und den DDR-Grenzturm „Ronny Büchse“ stehengeblieben, wurden sie unter viel Gehämmer und keinem Austausch mit dort anwohnenden Liebewesen von ziemlich jungen Leuten errichtet. Dass diese Stadtgegend ein Lärmhotspot ist, hätte leicht eruiert werden können: Denn hinter den Häusern detoniert unbarmherzig der Güterverkehr durchs Wohngebiet… Und droben auf dem Hügel herrscht von März bis Oktober Partyalarm in einem Ausmaß, dass der Ballermann neidisch Respekt zollt.
Immerhin eine Freude bleibt der im nächsten Sommer gleich dreifach geplagten Einwohnerschaft Florianiens: Ohne die „temporäre Installation“ wäre das tolle Ramasuri nicht nach außen gedrungen, das man am KIT für akademischen Jargon zu halten scheint. Der Krempel diene „als Plattform der Kommunikation und des Perspektivwechsels.“ Na dann. „Die ursprüngliche Bedeutung als jagdliche Einrichtung erfährt durch ihr Zusammenrücken in Form einer Sitzgruppe eine metaphorische Verschiebung ins Gemeinschaftlichgesellige.“ Wenn’s weiter nichts ist. „Die in, auf und von der Wiese lebenden Mitwesen aller Arten sind dabei ebenso Teil der Betrachtung und Sorge, wie die vielfältigen partizipierenden Mitmenschen.“ Hätte man sie nur einmal gefragt, vielleicht hätten sie gar nicht partyzipieren mögen, diese ganzen Wesen da…
Zur Information: Das Fleckchen heißt eigentlich Bischeks Apfelwald und ist ein Elfenschutzgebiet. Wenn wir Lust haben, uns zu treffen, tun wir das sowieso und benötigen weder KIT (Katzen in Trance?) noch ZKM (Zentralinstitut für Künstlerische Mediokrität?). Wir bitten um Rückbau und gesellige Verschiebung nach Oberreut, dort fehlt es nämlich an Sitzgelegenheiten. Aber leise, bitte! Was meinen eigentlich die zur Namensgebung genötigten Katzen? „Wedelt den Anfängern!“
Gez. Das Mitwesenministerium für Ökokulturelle Versch(r)obenheiten St. Florian, im Auftrag
(Selbstkorrektur: Katzenwedel ist eine umgangssprachliche Bezeichnung für den Acker-Schachtelhalm)
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