Inwiefern hat Telegram gegen deutsches Recht verstoßen?

Bildung & Wissen // Artikel vom 13.02.2023

Messenger (Foto: pixabay.com)

Der russische Online-Messenger-Dienst Telegram wurde vom deutschen Bundesamt für Justiz zu einem Bußgeld von über fünf Mio. Euro verurteilt.

Hintergrund für das Bußgeldverfahren, das vor über einem Jahr eingeleitet wurde, sind Verstöße gegen das deutsche Recht – genauer genommen gegen das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG). Das Bundesamt für Justiz bemängelt, dass Telegram über keinen offensichtlichen Meldeweg verfügt, über den strafbare Inhalte angezeigt werden können. Darüber hinaus hat das Unternehmen für Deutschland keinen Zustellbevollmächtigten ernannt, über den rechtliche Dokumente ordnungsgemäß zugestellt werden können.

Telegram ist bekannt für die Verbreitung von Hass & Propaganda

Der Messenger-Dienst Telegram wurde 2014 ins Leben gerufen und hat innerhalb kürzester Zeit weltweit an Popularität gewonnen. Bis 2021 wurde die App mehr als eine Mio. Mal heruntergeladen. Zu Beginn genoss Telegram in Deutschland einen sehr guten Ruf, was vor allem durch die besseren Datenschutzbestimmungen im Vergleich zum großen Konkurrenten Whatsapp begründet war. Dank der implementierten End-to-End-Verschlüsselung sind privat gesicherte Nachrichten gut geschützt. Zudem weigert sich das Unternehmen, mit Regierungen zusammenzuarbeiten, um zu vermeiden, dass Nachrichten überwacht werden. Was sich für den 08/15 Bundesbürger sehr attraktiv anhört, zieht auch die Aufmerksamkeit von Extremisten auf sich.

Insbesondere in den vergangenen zwei Jahren verwandelte sich die Plattform mehr zu einem Ort, wo Verschwörungstheorien und Propaganda verbreitet wurden. Hassbotschaften wurden ausgetauscht und sogar die Ermordung von Michael Kretschmer, dem sächsischen CDU-Ministerpräsident, wurde über Telegram geplant. Mehr als genug Gründe, warum der Messenger-Dienst in Deutschland stark in die Kritik geraten ist.

Transparentes Rechtssystem in Deutschland

Nicht selten wird Deutschland als Bürokratiestaat bezeichnet. In kaum einem anderen Land gibt es so viele Gesetze, Regelungen und Papierkram – sowohl für Privatpersonen als auch für Unternehmen. Was sich allerdings nach Mühseligkeit anhört, dient in erster Linie dem Verbraucherschutz.

Nehmen wir die Glücksspielbranche als Beispiel: Im vergangenen Jahr hat Deutschland einen neuen Glücksspielstaatsvertrag erlassen, der aufgrund zahlreicher Beschränkungen und Auflagen nicht wenig in der Kritik stand. So gibt es bspw. Einschränkungen in der Spieleauswahl und im Einsatzlimit, doch kann sich jeder Kunde sicher sein, dass neue Online Casinos mit Lizenz ein faires Spiel und hohe Sicherheitsstandards bieten.

Genau wie in der Casino-Industrie gibt es für sämtliche Branchen Gesetze, die Unternehmen befolgen müssen – und zwar für alle. An welche Regelungen man sich konkret halten muss, ist in Deutschland nur in den seltensten Fällen vage, sondern meist klar und transparent formuliert.

So müssen sich Online-Netzwerke wie Facebook oder Instagram strikt an die Vorschriften des NetzDG halten. Ausgenommen sind hiervon allerdings Dienste zur Individualkommunikation, worunter der bekannte Nachrichtendienst Whatsapp fällt. Auch Telegram fiel bis Anfang 2021 noch unter diese Kategorie. Dem entgegen spricht allerdings der Fakt, dass bei Telegram Chatgruppen mit bis zu 20.000 Nutzern eröffnet werden können. Aufgrund dessen änderte das Bundesamt für Justiz im April 2021 die Kategorisierung für den Messengerdienst, womit das russische Unternehmen fortan dem NetzDG unterlag. Damit hatte die Regierung die Handlungsgrundlage geschaffen, den ersten Bußgeldbescheid loszuschicken.

Was besagt das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG)?

Social-Media-Anbieter jeglicher Art sind in Deutschland verpflichtet, sich an die Bestimmungen des NetzDG zu halten. Das Gesetz befasst sich mit der Vorgehensweise, wenn sich Nutzer der Portale über strafrechtliche Inhalte beschweren. Darunter fallen bspw. Verhetzung oder Beleidigung. Nach deutschem Recht müssen Unternehmen, die im Social-Media-Bereich agieren, über ein ordentliches Beschwerdemanagement verfügen. Über dieses muss es Nutzern möglich sein, kritische Inhalte zu melden. Weiter steht im NetzDG geschrieben, dass Betreiber solcher Plattformen einen Zustellbevollmächtigten benennen müssen.

Sowohl die Einrichtung eines Beschwerdemanagements als auch die Benennung des Zustellbevollmächtigten soll Telegram versäumt haben. Im Frühjahr 2021 wurden die deutschen Behörden auf diese Unterlassungen aufmerksam, weshalb ein entsprechendes Verfahren eingeleitet wurde.

Wie geht es weiter?

Es ist bereits mehr als ein Jahr vergangen, seit die ersten Bußgeldbescheide rausgegangen sind. Genug Zeit, um Klarheit in die Sache zu bringen – sollte man meinen. Als problematisch hat sich allerdings die Zustellung dieser Bescheide herausgestellt. Trotz der Involvierung zuständiger Behörden vor Ort ist es mehrfach gescheitert, die Dokumente bezüglich des Ordnungswidrigkeitsverfahrens an den Firmenhauptsitz in Dubai zuzustellen. Erst durch deren Veröffentlichung im Bundesanzeiger nahm eine Anwaltskanzlei im Namen von Telegram Kontakt zum Bundesamt für Justiz auf. Letztendlich wurden die Bußgeldbescheide zugestellt, allerdings erst am 10.10.2022.

Nun bleibt abzuwarten, wie Telegram reagiert – zum einen auf die geforderte Bußgeldsumme von mehr als fünf Mio. Euro und zum anderen auf die Erfüllung der Vorlagen. Organisatorisch und technisch gesehen wäre es für den Messengerdienst kein großer Aufwand, ein Meldemanagement einzurichten und einen Zustellbevollmächtigten zu benennen. Spannend bleibt weiterhin, was mit den strafrechtlichen Inhalten auf Telegram künftig geschieht. Gemäß dem NetzDG müssen diese gelöscht werden, sofern diese frei im Internet zugänglich sind. Da die über Telegram ausgetauschten Nachrichten jedoch Teil einer „privaten“ Chatgruppe sind, ist die Regelung nicht ganz klar. Fest steht, dass sich Telegram weigert, sich regulieren zu lassen.

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