Choreographin Sasha Waltz im INKA-Gespräch
Bühne & Klassik // Artikel vom 14.03.2012
Sasha Waltz ist eine der bekanntesten europäischen Choreographinnen und Tänzerinnen.
Das Gastspiel „Jagden & Formen“ im Festspielhaus Baden-Baden im Rahmen der „Europäischen Kulturtage“ war für Roger Waltz ein willkommener Anlass, mit seiner Schwester für INKA ein Telefon-Interview zu führen – über Rihm, Musik und Tanz, neue Projekte und nicht zuletzt die Präsenz ihrer Tanzcompany Sasha Waltz & Guests in der Region.
INKA: Du bist ja privat immer wieder in Karlsruhe – aber bis auf die ersten Stücke wie „Allee der Kosmonauten“, die noch in den 90er Jahren im Tollhaus zu sehen waren, war in hier bislang keine deiner großen Choreographien zu sehen. Wie kommt’s?
Sasha Waltz: „Allee der Kosmonauten“ war sehr erfolgreich, wurde zum Theatertreffen eingeladen und war dann viel auf Tour. Mit den größeren Stücken aus der Zeit, als wir an der Schaubühne waren, wurde es schwieriger, geeignete Theater zu finden, denn es sind großformatige Werke, die Opernbühnen brauchen oder Industriehallen. Trotzdem haben wir immer wieder versucht, in Karlsruhe zu spielen. Oft scheiterte es an der räumlichen oder finanziellen Machbarkeit. Jetzt planen wir aber, ein Stück im ZKM zu zeigen.
INKA: Wer hatte denn die Idee zu „Jagden und Formen“?
Waltz: Die Idee geht auf das Ensemble Modern zurück, das das Stück bereits aufgeführt hat; das Festival „Frankfurter Positionen“ gab es dann in Auftrag. Nach den Opernprojekten wie „Dido & Aeneas“ und der großen Rauminstallation „Insideout“, bei der ich mit Rebecca Saunders – übrigens eine Schülerin Wolfgang Rihms – zusammengearbeitet habe, war es für mich eine schöne Gelegenheit, wieder mit einem zeitgenössischen Komponisten zu arbeiten. Mich mit einer neuen Klangwelt auseinanderzusetzen. Das Ensemble Modern ist als eines der wichtigsten zeitgenössischen Ensembles weltweit sehr offen, sich auch auf theatrales Neuland zu begeben. Rihm erweiterte „Jagden und Formen“, das er als „Werklandschaft“ seit den 90er Jahren stetig verändert und bearbeitet hat, für unsere Zusammenarbeit um einzelne solistische Elemente. Für die choreographische Umsetzung war wichtig, dass aus der Komplexität und Dichte der musikalischen Partitur solche Inseln auftauchen oder auch Stille. Die Solisten sind ja auch Teil des Bühnengeschehens und es gibt Momente, in denen das ganze Orchester in Bewegung kommt.
INKA: Inzwischen hat sich bei dir eine ganze Reihe an Arbeiten mit zeitgenössischen Komponisten angesammelt; bei den Mozartwochen in Salzburg 2012 hatte unlängst das Stück „gefaltet“ Uraufführung mit dem Komponisten Mark Andre und einem Mix aus zeitgenössischer Musik und Mozart. Wo verortest du hier „Jagden und Formen“ – was ist für dich das Besondere an diesem Stück?
Waltz: Es ist choreographisch ein sehr strenges Stück. Der Titel ist Thema und Motto. Es gibt ein Spannungsfeld zwischen abstrakt-formal und unbändig, frei und auch wild. Das macht seinen besonderen, auch sinnlichen Reiz aus. Es gibt eine Dimension des Körperlichen in Rihms Musik, die von den Tänzern in ihr Medium transformiert werden kann. Bei der Zusammenarbeit mit Mark Andre standen andere Elemente im Vordergrund. Auch aufgrund der Beschäftigung mit Mozart. Thema und Variation zum Beispiel.
INKA: In Berlin arbeiten ja viele der weltbesten Künstler im Bereich elektronische Musik. Gab es hier nie Anfragen zur Zusammenarbeit?
Waltz: Ich bekomme oft CDs zum Anhören, aber ich bin im Moment eher an klassischer oder Neuer Musik interessiert. In der Schaubühne habe ich mehrere Stücke mit elektronischer Musik gemacht, aber jetzt gerade reizt mich musikalisch besonders die Zusammenarbeit mit Livemusik und großen Interpreten, wie es beispielweise bei „gefaltet“ war. Ich finde es ungeheuer spannend, den Musiker oder Sänger zum Akteur und Tänzer zu machen. Dass ich dabei mit Carolin Widman, Nicholas Altstaedt, Barbara Hannigan, Georg Nigl u.a. oder eben mit Ensembles wie dem Ensemble Modern, dem Mahler Chamber Orchestra oder dem Barockorchester Freiburg arbeiten kann, empfinde ich als Privileg und es ist für mich ungeheuer bereichernd.
INKA: Welche Musik hörst du eigentlich privat?
Waltz: Ich höre wenig Musik zuhause. Ich arbeite so viel mit Musik und höre dann lange Zeit nur ein bestimmtes Werk und brauche daher die Stille für meine Seele. Aber es gibt natürlich Recherche-Phasen, in denen ich sehr viel Musik höre, wenn ich eine Oper oder ein musikalisches Werk suche, das ich bearbeiten möchte. Ich höre gerne meinen Kindern beim Musizieren zu, unsere Welt ist voll mit Klängen. Lieber nehme ich das bewusst wahr. Manchmal höre ich CDs von befreundeten Musikern oder Sängern.
INKA: Was kann man für 2012 erwarten, du kamst gerade aus Göteborg zurück?
Waltz: Ja, ich habe meine Choreographie „No Body“ dem Göteborger Ballett gegeben und dort eingerichtet. Das nächste Projekt entsteht im Rahmen des Education-Programms der Berliner Philharmoniker, wir erarbeiten die Carmen-Suite mit Berliner Jugendlichen. Das Stück wird unter der Leitung von Simon Rattle im Mai uraufgeführt. Danach reise ich zur Wiederaufnahme von „Romeo & Juliette“ von Hector Berlioz, das ich 2007 für die Opera de Paris und das dortige Ballett entwickelt habe. Es ist ein sehr großes Werk mit über 100 Beteiligten, das ich im Dezember 2012 auch an der Scala in Mailand einrichten werde. Für 2013 ist eine Inszenierung von „Sacre du Printemps“ geplant; meine nächste Opernchoreographie wird „Orfeo“ von Claudio Monteverdi sein – in Zusammenarbeit mit dem Freiburger Barockorchester.
INKA: 2013 häufen sich ja die Jubiläen in deinem Ensemble – unter anderem besteht dann das Ensemble Sasha Waltz & Guests 20 Jahre. Ist denn geplant, vermehrt im Südwesten aufzutreten?
Waltz: Wir würden gerne mehr in der Region spielen. „Jagden und Formen“ in Baden-Baden ist ja jetzt ein schöner Anfang und andere Projekte können folgen. Ich bin offen. Da wir auch mit dem Freiburger Barockorchester zusammenarbeiten werden, liegt eine Spielzeit im Süden ja geradezu auf der Hand.
Fr, 23.3., 20 Uhr, Festspielhaus Baden-Baden: „Jagden & Formen“ (Zustand 2008), Wolfgang Rihm, Sasha Waltz & Guests, Ensemble Modern, im Rahmen der „Europäischen Kulturtage“ 2012
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