Das Kleine Schwarze / The Riot Of Spring

Bühne & Klassik // Artikel vom 14.11.2015

Ein viel zu knapp geschnittenes Kleid – eine viel zu ungestüme Musik.

Coco Chanel und Igor Strawinsky eckten im frühen 20. Jahrhundert durchaus an. Terence Kohler stellt einen Ballettabend am Staatstheater Karlsruhe als Hommage an Chanels „Kleines Schwarzes“ und das „Sacre du Printemps“ des Russen zusammen. Im INKA-Gespräch offenbarte Kohler Friedemann Dupelius nebenbei lachend, dass er Karlsruhe liebt und sich freut, an den Ort zurückzukehren, an dem seine Laufbahn als Choreograf begann.

INKA: Coco Chanel und Igor Strawinsky hatten wohl eine Affäre – aber welche anderen Gründe gibt es, die beiden in einem Ballett zu kombinieren?
Terence Kohler: Mir geht es nicht um die vermeintliche Affäre zwischen Coco und Igor, sondern vielmehr um ihr kreatives Potenzial und darum, was ihr Schaffen für unsere Gesellschaft heute bedeutet. Mein Ausgangspunkt ist das Spielzeitmotto 2015/16 des Staatstheaters: „Von Aufbrüchen“. Wie kommt es, dass kreative Aufbrüche die Zeit transzendieren und der Gesellschaft nützlich werden können? Ich frage mich, wo Kreativität herkommt. Obwohl das Ballett in zwei Teile aufgespalten ist – einen für jede Person –, ist das der rote Faden, der sich durch beide Teile zieht.

INKA: Und Chanel wie Strawinsky geben ähnliche Antworten darauf?
Kohler: Sie kommen aus sehr unterschiedlichen Welten – aber ja. 1913 waren die Balletts Russes sehr beliebt, doch die Premiere des Sacre ein Skandal. Und heute wird es so geschätzt und man sieht, wie avanciert es damals war. Und da sind Chanel und die Mode – im Stück begleiten wir sie drei Jahrzehnte lang, bis 1930. In diesem Zeitraum hat sich viel verändert. Während des 1. Weltkriegs mussten die Frauen Wege finden, ohne ihre Männer für sich selbst zu sorgen; das führte zu einer Suche nach einem neuen weiblichen Selbstbild und in die experimentierfreudige Phase der 20er Jahre. In die fällt auch Chanels „Kleines Schwarzes“, das im ersten Teil des Balletts zu sehen ist und das damals auch viele schockiert hat. Coco Chanel war eine der ersten Feministinnen. Sie hat sich für die Befreiung der Frau eingesetzt, ihre Überzeugung war, dass sich Frauen immer schön fühlen dürfen, egal wie alt sie sind. Das ist eines ihrer Verdienste für die Mode, die bis heute nachwirken.

INKA: Wenn der Sacre- und der Chanel-Teil getrennt sind – welche Musik klingt dann in letzterem?
Kohler: Auch Strawinsky – er ist die Grundlage für den ganzen Abend. Im 1. Teil benutze ich seine neoklassische Ballettmusik zu „Apollon musagètte“. Um sie herum erklingen Gebrauchsmusik von Alfred Schnittke und Musik aus Stummfilmen, Revuetheatern und Vaudevilles, um einen Eindruck von der Zeit zu vermitteln.

INKA: Geschieht das auch optisch, durch Kostüme und Bühne?
Kohler: Es ist immer ein Balanceakt, ein Bild von einer Epoche zu zeichnen, ohne wie aus dem Geschichtsbuch zu wirken. Das ist der Punkt, an dem die Kunst ins Spiel kommt. Ich arbeite mit dem Kostümdesigner Jordi Roig daran, einen Zwischenweg zu finden. Einige Elemente werden in abstrahierter Form da sein, aber es wird auch genügend originalgetreue Kostüme geben – von schönen Walzerkleider bis zu Kostümen ganz ähnlich wie im originalen „Sacre“.

Premiere: Sa, 14.11., 19 Uhr, Badisches Staatstheater, Großes Haus, Karlsruhe

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