Die Kunst des Kickens in der Karlsruher Kaiserzeit
Bühne & Klassik // Artikel vom 23.10.2019
Rih macht Rasensport.
Wie eng Fußball und Kunst vor einem Jahrhundert miteinander verbandelt waren, davon erzählen die „Karlsruher Schlosskonzerte“ in einem musikalisch-szenischen Abend. Thomas Alexander Staisch hat das Programm sporthistorisch mitentwickelt und mit Friedemann Dupelius über die Antike des Fußballs gesprochen.
INKA: Was verbindet Fußball und Kunst Anfang des 20. Jahrhunderts?
Thomas Alexander Staisch: Vor 100 Jahren zählte Fußball zur Hochkultur. Da konnte es gut sein, dass vor dem Spiel Mozart gespielt wurde und danach fand ein richtiges Kulturprogramm statt: Bekannte Sänger traten auf, aber auch Fußballszenen wie Eckball wurden mit vollem Ernst schauspielerisch dargestellt. Auch das Spiel selbst wurde als Kunst betrachtet und wie ein Theaterstück goutiert. Am Ende hat man brav applaudiert und wer zwischendurch reingeschrien hat, wurde als Fanatiker gebrandmarkt.
INKA: Also ganz anders als das Klischee vom Proletensport, das der Fußball später verpasst bekam. Wer ging denn in der Kaiserzeit zum Fußball?
Staisch: Es war kein Widerspruch, Sonntags nach der Kirche zum Sportplatz zu gehen – im Gegenteil, das waren gesellschaftliche Veranstaltungen, zu denen die Herren mit Zylinder und die Frauen im Reifrock erschienen. Man buhlte in den Sportvereinen um Adlige und als Prinz Max Schirmherr des Karlsruher FV wurde, galt der Fußball als hoffähig. Zugleich fand in Karlsruhe aber auch früher als anderswo in Deutschland eine soziale Durchmischung beim Fußball statt. Schon ab 1910 wird beschrieben, wie arm und reich, Militär und Arbeiter nebeneinander am Sportplatz stehen. Gespielt haben aber nur Bürgerliche und Akademiker, die Arbeiter hatten ja gar keine Zeit dazu.
INKA: Wie standen die Künstler zum Fußball?
Staisch: Es war ganz normal, dass Künstler auch Fußballer waren. Man sah das wie eine zweite künstlerische Beschäftigung neben dem Malen. Bei Phönix Karlsruhe spielte ab 1912 Egon Itta – Stürmer, flinker Linksaußen, Torjäger. Ich habe entdeckt, dass das der gleiche Egon Itta war, der auch der Künstlergruppe Rih angehörte, die mit ihrer avantgardistisch-expressionistischen Kunst für Furore gesorgt und durchaus auch entsetzt haben. Und Itta war kein Einzelfall. Es gab weitere Fußballer, die auch Schauspieler und Bildhauer auf höchstem Niveau waren. Neben Itta spielte bei Phönix mit Emil Firnrohr noch ein begabter Maler.
INKA: Wie recherchieren Sie diese so ferne Zeit?
Staisch: Ich habe einige lebende Angehörige von Spielern auffinden können. Außerdem habe ich das Glück, dass es in Karlsruhe die „Süddeutsche Sportzeitung“ gab, die viel über Fußball berichtet hat. Auch zwei, drei andere Sportzeitungen dienen als Quelle. Das Schöne ist: Kein Spielbericht ist wie der andere. Es mussten erst mal Qualitätskriterien für ein gutes Fußballspiel und die sprachlichen Mittel, ein Spiel zu beschrieben, gefunden werden. Man hat viele Gedichte über Spiele verfasst. Wenn ein Tor gefallen ist, schrieb man: Es hat geklirrt! Die Netze waren damals aus Draht...
Mi, 23.10., 20 Uhr, Schloss Karlsruhe, Gartensaal
www.karlsruher-schlosskonzerte.de
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