Doctor Atomic
Bühne & Klassik // Artikel vom 20.01.2014
Das INKA-Interview von Friedemann Dupelius mit Regisseur Yuval Sharon.
INKA: Mit „Doctor Atomic“ debütieren Sie in Europa. Wie steht man in den USA derzeit zum ursprünglich europäischen Genre Oper?
Yuval Sharon: Anders als man vermuten würde, erlebt die Oper in Amerika gerade eine unheimlich aufregende Zeit. Etablierte Institutionen wie die New York City Opera gehen ein, aber es gibt eine wachsende Neugier auf experimentelle Projekte. Mit meiner eigenen Operntruppe „The Industry“ produziere ich Uraufführungen an dazu passenden Locations – neulich zum Beispiel in einem Bahnhof bei laufendem Betrieb, während die Musik über Kopfhörer lief.
INKA: Wie unterscheidet sich eine Oper aus den USA, speziell eine Oper von John Adams aus dem Jahr 2005, von den Werken Mozarts, Wagners oder Verdis?
Sharon: Die Oper von John Adams sollte als ein Kind unserer Zeit wahrgenommen und nicht mit Stücken verglichen werden, die aus ganz anderen Epochen und sozialen Verhältnissen stammen. Wenn man ein Stück nach seinen eigenen Gesetzen zum Leben kommen lässt, wird man entdecken, dass Adams Atmosphäre wichtiger ist als konventionelle Theaterdramaturgie. Musik lässt sich auch als die Organisation von Zeit definieren, und in diesem Sinne ist die Dramaturgie von „Doctor Atomic“ genial: Im zweiten Akt entrollen sich die Stunden vor dem ersten Test der Atombombe. Die Musik lässt uns spüren, wie die Zeit sich verlangsamt, statt sich zu beschleunigen, je näher wir dem Zeitpunkt der Zündung kommen. Dies erzeugt eine surreale Atmosphäre, in den letzten zwanzig Minuten hält man den Atem an.
INKA: Die Oper handelt vom Physiker Robert Oppenheimer, dem „Vater der Atombombe“. Wie geht Adams mit diesem ernsten und weiter hochaktuellen Thema um?
Sharon: Adams und sein Librettist Peter Sellars lassen Oppenheimer direkt zu uns sprechen: Fast der gesamte Text stammt aus Berichten, Protokollen oder von Zeitzeugen. Anderes aus den Dichtungen, von denen der sehr belesene Oppenheimer so sehr zehrte. Die Oper wird zur Collage, in der sich Baudelaire und John Donne abwechseln mit wissenschaftlichen Beschreibungen und dem Wetterbericht. Die Musik verflechtet diese Elemente wie ein endlos laufender Webstuhl miteinander. Jeder Zuschauer kann sich seine eigene Beziehung zu dem Oppenheimer auf der Bühne aufbauen, die in starkem Widerspruch dazu stehen könnte, wie wir ihn zu kennen glaubten, bevor wir ins Theater kamen.
INKA: Was kann das Karlsruher Publikum von Ihrer Inszenierung erwarten?
Sharon: Die beiden Akte sind musikalisch und dramatisch sehr unterschiedlich. Der erste folgt eher einer Geschichte und wir benutzen Animationen, um die Oper wie einen Comic wirken zu lassen. Der zweite Akt ist abstrakter und folgt weniger der üblichen Erzähl-Dramaturgie; hier wird es choreografierte Aktionen geben, die den gesamten Chor und einige mythologische Figuren einbeziehen. Ich möchte dem Publikum einen visuellen Kontrapunkt liefern, um seine Fähigkeit zu schärfen, der Musik zuzuhören, und ein Feld assoziativer Bilder liefern, das jedem Zuschauer seine eigene Interpretation überlässt.
Premiere A: Sa, 25.1., 19 Uhr; Premiere B: Do, 30.1., 19.30 Uhr, auch Fr, 7.3., 19.30 Uhr, Badisches Staatstheater, Großes Haus, Karlsruhe
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