Interviews mit den Choreografinnen Bridget Breiner & Sasha Waltz
Bühne & Klassik // Artikel vom 01.11.2023
Drei Fragen an...
...Bridget Breiner
INKA (Roger Waltz): Sie haben Tschaikowskis Ballett-Klassiker neu inszeniert und die Handlung in die Wirtschaftswunderzeit und Industrialisierung der USA verlagert. Funktioniert das Stück dennoch auch als klassisches Weihnachtsstück? Wie kamen sie auf die Idee? Ist Ihre Herangehensweise fast filmisch?
Bridget Breiner: Der ursprüngliche Stoff des „Nussknackers“ stellt im zweiten Akt eine üppige Fülle von kulinarischen Köstlichkeiten zur Schau. Ich habe mir die Frage gestellt, was wäre, wenn wir einmal vom Gegenteil ausgehen und genau dieser Überfluss nicht vorhanden ist. Dabei spielt der Verlust von materiellem Wohlstand eine zentrale Rolle. Ich denke, dass es trotzdem – oder gerade deswegen – ein Weihnachtsstück geworden ist, weil es den Wert der Familie aufzeigt und davon erzählt, dass Liebe und emotionale Geborgenheit materiellen Dingen überzuordnen sind. Ich würde nicht sagen, dass die Umsetzung filmische Züge trägt. Wir erzählen die Geschichte mit den Mitteln des Tanzes und somit bekommt sie ihre eigene Sprache und Ausdrucksform.
INKA: Sie kooperieren auch mit der Mannheimer Akademie des Tanzes und erstmals mit den ambitionierten Turnklassen des Otto-Hahn-Gymnasiums. Wie kam es dazu und wie setzen Sie diese unterschiedlichen vielen Tänzerinnen dramaturgisch ein?
Breiner: Die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen dem Staatsballett und der Akademie des Tanzes Mannheim hat lange Tradition in der Nachwuchsförderung. Mein Team und ich hatten aber auch bereits in unserer ersten Spielzeit Kontakt mit dem Otto-Hahn-Gymnasium, als dieses eine Veranstaltung auf der Bühne des Großen Hauses durchführte, zu welcher das Ballett einen Beitrag gestaltete. Die Energie der Kinder gefiel mir sofort und mir war klar, dass ich für den Nussknacker mit den „Rabauken“ ein wilderes, ungezähmtes Element auf der Bühne bringen wollte. Die jungen TurnerInnen verfügen über eine andere Bühnenpräsenz und Körperlichkeit als Balletttänzer. Das fand ich interessant.
INKA: Auf welche weiteren Ballettabende darf sich das Karlsruher Publikum in Ihrer letzten Spielzeit am Badischen Staatstheater freuen? Was sind Ihre weiteren Projekte für die Spielzeit?
Breiner: Ich sehe mit Vorfreude der Wiederaufnahme von „Maria Stuart“ im Januar entgegen. „Ruß – eine Geschichte von Aschenputtel“ wird auf Gastspielen zu sehen sein. Die Premiere des Dreiteilers „Saiten/Sprünge“ im April vereint die „Große Fuge“ des Meisters der Neoklassik Hans Van Manen mit einer Arbeit der gefragten Choreografin Annabelle Lopez Ochoa und einer Kreation des Newcomers Mthuthuzeli November. Die Wiederaufnahmen von „Per Aspera ad Astra“ und von David Dawsons „Giselle“ stehen ebenso an wie eine neue Folge von „Zukunft Choreografie“ und eine Benefizgala zum Spielzeitende.
...Sasha Waltz
INKA (Roger Waltz): „Kreatur“ ist eines der wenigen Stücke von dir, das ich noch nicht gesehen habe. Das Stück scheint sechs Jahre nach seiner Uraufführung aktueller denn je. Fast zeitgeistig. Wie erlebst du selbst das Stück nach den Jahren?
Sasha Waltz: „Kreatur“ entstand nach einer intensiven Recherche in der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, der ehemaligen zentralen Untersuchungshaftanstalt der Staatssicherheit in Ostdeutschland. Das Stück beschäftigt sich mit den Themen Macht, Angst, Unterwerfung, unvorstellbare Gewalt, und changiert dabei zwischen Dystopie und Utopie. Wir haben uns im Kreationsprozess auch die Frage gestellt: Ereilt Angst Opfer und Täter gleichermaßen, und kann man dieser Angst ein Gesicht oder einen Körper geben? Ich habe für das Stück eine extrem physische und für mich neue Körpersprache entwickelt, um all das ausdrücken zu können. Und wenn ich mich aktuell umschaue, dann sind wir heute vielleicht noch viel direkter als 2017 mit diesen Themen konfrontiert.
INKA: Du feierst in diesem Jahr das 30-jährige Bestehen deiner Compagnie Sasha Waltz & Guests. Da kann man ja schon mal nostalgisch werden. Wie findest du das weitere Programm des Festivals „Tanz Karlsruhe“ 2023 – was interessiert dich am meisten?
Waltz: Tatsächlich sind 30 Jahre eine lange Zeit und daher ist diese Jubiläumssaison etwas Besonderes für mich und meine Compagnie! Ich freue mich daher sehr, dass Martin Holder uns erneut zu „Tanz Karlsruhe“ eingeladen hat und wir unser Jubiläum mit „Kreatur“ auch hier in Karlsruhe feiern können, wo meine Wurzeln liegen. Zumal der Programmschwerpunkt des Festivals auf Arbeiten von lokalen Tanzschaffenden liegt, was ich wichtig finde, damit die Szene eine größere Sichtbarkeit erhält und sich weiter entwickeln kann. Im diesjährigen Programm würde ich mir gern die „Lange Nacht der kurzen Stücke“ anschauen, um einen Überblick über die Karlsruher TänzerInnen zu bekommen. Spannend klingen die Stücke „Transitions-Circuit I“ von Ben Rentz sowie der Abend „NPC“ von Kiesecker und Hoess. Thematisch spricht mich „M(other)“, das Duett von Mutter und Sohn, sehr an. Last but not least verspricht „Friends Of Forsythe“ interessante Tänzerpersönlichkeiten zu zeigen. Und natürlich sollte man sich auch selbst bewegen und einen der Workshops besuchen, denn tanzen macht glücklich.
INKA: Wie sind deine weiteren Pläne und Projekte für dieses und das nächste Jahr?
Waltz: In diesem Jahr sind wir noch mit verschiedenen Stücken auf Tour u.a. in Madrid und St. Pölten. Aber parallel habe ich gerade die Proben für meine neue Choreografie zu Bachs „Johannes-Passion“ begonnen. Das Stück ist ein Auftrag für die Opéra de Dijon und kommt im März bei den „Osterfestspielen“ in Salzburg zur Uraufführung, bevor es dann in Dijon und später auch in Paris zu sehen sein wird.
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