Knut Weber, Schauspieldirektor
Bühne & Klassik // Artikel vom 27.06.2011
Knut Weber, Schauspieldirektor des Badischen Staatstheaters und einer der drei künstlerischen Hauptverantwortlichen für die Baden-Württembergischen Theatertage in Karlsruhe, spricht im INKA-Interview mit Elisa Reznicek über die Ausrichtung und die Besonderheiten des Festivals, das sein letztes vor dem Wechsel nach Ingolstadt ist.
INKA: Theater wird mehr und mehr zum geschlossenen Zirkel, manch einer war sicher das letzte Mal in der Schulzeit in einer Vorstellung. Was macht das Programm auch für diese Menschen interessant?
Knut Weber: Mit ihrer Analyse haben Sie sicher nicht Unrecht. Zum einen stärken wir die Aktivitäten für Kinder und Jugendliche, da wir die Menschen frühzeitiger abholen müssen. Zum anderen ist das Schwerpunktthema „Gerechtigkeit“ eines, das uns alle umtreibt. Neu und einzigartig am Konzept ist, dass wir entsprechend Formate entwickelt haben, die den normalen Theaterraum verlassen und in die Stadt hineinwirken. Wir gehen zum Beispiel auf die Straße und packen die Bürger ganz konkret bei dem, was sie gerecht oder ungerecht finden. Und es gibt theatrale Gerichtsprozesse, in die die Zuschauer direkt mit einbezogen werden. Es werden zwei spektakuläre Fälle von echten Staatsanwälten, Verteidigern, Richtern authentisch aufgerollt und sozusagen „verhandelt“: der Fall eines Obersts in Afghanistan, wo es zu einer furchtbaren Katastrophe gekommen ist („Freiheit am Hindukusch? Todsicher!“, 3.7., 11.30 Uhr, Probebühne 1) und jener einer fristlosen Kündigung eines langjährigen Arbeitsverhältnisses wegen einer geklauten Bulette („Bagatelle? Lebenslang!“, 9.7., 11.30 Uhr, Probebühne 2). Die Schauspieler sind in der Rolle des jeweils Agierenden und die Zuschauer haben am Ende die Möglichkeit, ein Urteil zu fällen. Das sind Formate, die es dem Publikum eigentlich leicht machen sollten, die Vorstellungen zu besuchen.
INKA: Sie sprachen gerade die wichtige Kinder- und Jugendtheaterarbeit an. Was sind die Eckpfeiler außerhalb des stark aufgestellten regulären Programms für diese Zielgruppe?
Weber: Alle Kinder- und Jugendtheater sind im Gegensatz zu den Schauspielern der Abendspielpläne die kompletten zehn Tage vor Ort. Sie nehmen sich wahr, kritisieren sich, tauschen sich aus. Zudem bieten wir auch für Kinder und Jugendliche ähnliche Formate wie die gerade beschriebenen Mitmachaktionen für Erwachsene an (z.B. Recht gesprochen – Ein Rollenspiel im Gerichtssaal des Verwaltungsgerichts; 5.7. + 7.7., 10.30 Uhr). Durch theaterpädagogische Aktivitäten, Vor- und Nachbereitungen der Vorstellungen und Workshops tun wir sehr viel, um Kinder ans Theater zu binden. Sie sollen merken, dass sie auf Augenhöhe geachtet werden und ihre Probleme tatsächlich auch ein Forum in der Kunst finden. Ich glaube, wenn sie einmal fürs Theater gewonnen sind, dann bleiben sie ihm auch treu.
INKA: Auf dem Abendspielplan finden sich relativ wenige Klassiker. Gilt auch im Theater die Devise „Wer nicht wagt, der nicht gewinnt“?
Weber: Natürlich. Es wäre ein Leichtes gewesen, zum Festival-Thema Schillers „Räuber“ oder dergleichen mehr zu spielen. Ich finde es aber viel interessanter, dass wir hier die Möglichkeit haben, zehn Tage lang frische Stücke zu sehen, die von jungen, heute lebenden Autoren geschrieben und von ebensolchen Regieteams inszeniert wurden. Das zeigt, wie groß die Leistungskraft der baden-württembergischen Theater ist und welche Anstrengungen unternommen werden, mit Ur- und Erstaufführungen den Autoren-Nachwuchs zu fördern.
INKA: Das Motto „Ungerecht“ gerade in der Stadt des Rechts zu bringen – ist das nicht ein bisschen zu naheliegend?
Weber: Na klar ist das naheliegend, aber ich finde es richtig. Die Stadt schmückt sich zwar damit, allerdings machen wir uns zum ersten Mal in einer geballten Veranstaltungsreihe tatsächlich dafür stark. Damit die Menschen auch merken, dass es hier nicht nur abstrakt um Paragrafenreiterei, sondern um konkrete lebenspraktische Dinge geht. Wir wollen den Beweis antreten, dass man mit einem Thema, das erst einmal so unsexy daherkommt, auch offensiv und theatral umgehen kann.
INKA: Sie wechseln zur kommenden Saison als Intendant zum Theater Ingolstadt, die Theatertage sind ihre letzte große Aufgabe hier in Karlsruhe. Was bedeutet Ihnen das Festival auf persönlicher Ebene?
Weber: Es ist ein seltsames Gefühl. Ein bisschen traurig ist es schon, weil ich sehr gerne an diesem Theater und in dieser Stadt gelebt und gearbeitet habe. Auf der anderen Seite ist es natürlich ein großer Luxus, in einem Festival noch einmal das bündeln zu können, was mir persönlich wichtig ist, aber auch die Stadt auszeichnet. Das ist ein wunderbares Abschiedsgeschenk – sowohl von mir an die Stadt als auch umgekehrt.
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