Sasha Waltz im INKA-Interview
Bühne & Klassik // Artikel vom 12.02.2013
Sasha Waltz, geboren am 8.3.1963 in Karlsruhe, aufgewachsen in der Weststadt, wo sie bei Waltraud Kornhas auch den ersten Tanzunterricht bekam, gilt nach dem Tod von Pina Bausch als bedeutendste deutsche Choreografin.
Ihr multinationales Tanzensemble wird in aller Welt gefeiert. Ende 2012 und Anfang 2013 stand ihre Berlioz-Oper „Romeo & Juliette“ auf dem Spielplan der Pariser Oper, dann ging die Inszenierung zur Eröffnung der dortigen Ballettwochen an die Mailänder Scala. Im Mai 2013 wird die in Berlin lebende Choreografin mit dem Mariinsky-Ballett in Sankt Petersburg eine neue Version von Strawinskys „Sacre du Printemps“ inszenieren; im September 2013 leuchtet das ZKM ihr Werk mit einer außergewöhnlichen Ausstellung bildnerisch aus. Roger Waltz sprach mit seiner Schwester nach ihrer Rückkehr aus Indien, wo sie eines ihrer legendären „Dialoge“-Projekte realisierte.
INKA: Du kommst eben von einer „Dialoge“-Inszenierung des Goethe-Instituts aus Kalkutta zurück und hast dort einen verlassenen alten Palast tänzerisch-musikalisch neu erkundet. Die Presse und das Publikum reagierten euphorisch. Wie hast du selbst dieses sehr reale Aufeinandertreffen der Kulturen empfunden? Eine Aufführung kollidierte phonetisch mit einer in der Nähe stattfindenden Hochzeit?
Sasha: Ja, es war eine religiöse Zeremonie, ein Fest, bei dem die Live-Musik auf gigantischen Lautsprechern verstärkt wurde. Es war tatsächlich ein Aufeinandertreffen der Kulturen. Aber das Spannende war, dass wir das Haus einer alten indischen Familie zu neuem Leben erweckt haben. Die Erben sind verarmt und bewohnen es schon lange nicht mehr – sie waren sehr glücklich über den Kuss aus dem Dornröschenschlaf. Unser Projekt sollte sich in den Stadtraum hin öffnen und nicht in einen hermetischen Theaterraum zurückziehen, denn Theater sind eigentlich überall auf der Welt identisch und austauschbar – nicht jedoch reale Räume und das Publikum. Insofern war der Lärm der Stadt auch ein wichtiges Element der Interaktion – die Geräusche der Straße wurden Teil des Klangraumes für die Aufführung. Es gab auch eine Videoinstallation, die sowohl von außen als auch von innen angesehen werden konnte, u.a. vom gegenüberliegenden Milchmarkt.
INKA: Turbulente Zeiten – wie ja aktuell auch in Berlin (Näheres und Aktuelles zu den Hintergründen des Tanzstandortes Berlin und der Compagnie Sasha Waltz & Guests). Und in Mailand. Als wir uns über die Feiertage in Karlsruhe trafen, hattest du tagelang mit den Gewerkschaften verhandelt, die die „Romeo & Juliette“-Premiere an der Scala in Mailand bestreikten? Wie ging das aus?
Sasha: Nach der bestreikten Premiere wurden alle neun weiteren Vorstellungen gespielt. Und liefen dann auch sehr gut. Aber die ausgefallene Premiere hat natürlich geschmerzt. „Romeo & Juliette“ ist ja ein großes Stück, es sind mehr als 150 Menschen daran beteiligt. Wenn sie viele Wochen darauf hinarbeiten und dann die Premiere nicht stattfindet, ist das für alle eine große Enttäuschung.
INKA: Du selbst, aber auch deine Compagnie feiern 2013 runden Geburtstag. Das ZKM wird dir zur Ehren – mit Unterstützung der Stadt – ab September ein aufwändiges Ausstellungsenvironment installieren. Kannst du hierüber etwas verraten?
Sasha: Den Wunsch, bestimmte Elemente und Objekte aus meinen Stücken herauszulösen und als eigenständige Installationen in einem neuen Kontext zu präsentieren, gibt es eigentlich schon sehr lange. Wir hatten auch immer wieder daran gearbeitet, aber erst der Initiative von Peter Weibel und Christiane Riedel ist es zu verdanken, dass diese Idee jetzt tatsächlich vor der Realisierung steht. Es gibt ja weltweit wenige Institutionen und Ausstellungsräume wie das ZKM, die solch große Videoinstallationen alle auf einmal zeigen können. Auch wird es vereinzelt interaktive Objekte geben, die ich mit dem ZKM neu entwickeln werde. Daher ist es wirklich eine ideale Situation und wir freuen uns sehr auf diese Zusammenarbeit.
INKA: Steht schon fest, ob und welche tänzerischen Livebeiträge es geben wird?
Sasha: Wir wollen auch performative Elemente integrieren. In zwei großen Blöcken zur Vernissage und Finissage der Ausstellung, aber auch über den gesamten Ausstellungszeitraum verteilt. Die performativen Teile werden sich thematisch an den großen Videoinstallationen orientieren. Die finale Auswahl machen wir in den nächsten Wochen.
INKA: Beziehst du auch die Raumsituation im ZKM mit ein? Wird es inszenierte Musik und Tanz an verschiedenen Orten im ZKM geben – ähnlich wie im Neuen Museum?
Sasha: Ich werde sicher einige Elemente an die Räume anpassen. Aber es wird keine szenische Installation oder Choreografie mit dramaturgischem Ablauf geben wie im Neuen Museum oder im Maxxi in Rom. Der Schwerpunkt liegt auf dem Aspekt der Bildenden Kunst in meiner Arbeit. Es geht um die Verdichtung der Form, die Suche nach der Essenz. Eine große Herausforderung, auf die ich mich freue.
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