Schalltot oder lebendig

Bühne & Klassik // Artikel vom 19.10.2015

„Diese Ecke“ ist ein Hörspiel über Hubert, der bei jedem Frühstück in die gleiche Küchenecke schaut – diesmal liebeskrank und verkatert.

„Schalltot oder lebendig“ ist ein Hörspiel darüber, wie „Diese Ecke“ produziert wird. Ulrike Toma vom NDR, Dramaturgin des Stücks, entschachtelt das Projekt im INKA-Interview mit Friedemann Dupelius.

INKA: Ein Hörspiel im Hörspiel, live auf der Bühne – wie sieht das aus?
Ulrike Toma: Hermann Bohlen, der Autor von „Schalltot oder lebendig“, tritt live als Regisseur von „Diese Ecke“ auf. Ihm gegenüber sitzt ein Schauspieler, später noch eine Schauspielerin, und an seiner Seite ist ein stummer Held – der Toningenieur. In der Bühnensituation können sich Schauspieler und Regisseur nicht sehen, es gibt kein Nicken und freundliches Zulächeln, alles funktioniert über die Stimme und die Abgeschiedenheit der Einzelnen, wie oft im Hörspielstudio. Und dann gibt es noch eine Ebene darüber hinaus: Es begegnen sich Gedankenstimmen. Allen gehen ständig noch andere Dinge durch den Kopf, woraus nochmals ein ganz anderer Dialog entsteht als der aus dem tatsächlichen Austausch. Die Musik dazu von Matthias Meyer spielt vielleicht leicht auf den Western-artigen Titel an, ist aber elektronisch geprägt und entsteht nicht live vor Ort.

INKA: Gibt es eine große „Quest“ in dem Stück, die es auf „Schalltod oder Leben“ zu erfüllen gilt?
Toma: Hier wird ohne Rücksicht auf Verluste und mit der größtmöglichen Kompromisslosigkeit die beste Hörspielaufnahme gesucht. Zu Tode kommt keiner, aber alle gehen an ihre Grenzen. Und natürlich geht „Schalltot oder lebendig“ darauf zurück, dass wir im Hörspielstudio mit verschiedenen Aufnahmeräumen arbeiten – einer davon ist der schalltote Raum.

INKA: Ist das ein Erklärstück?
Toma: Ich glaube, daran hätte ich nicht viel Spaß gehabt. Es vermittelt zwar, wie eine Aufnahme funktioniert, wenn man sich aufeinander einlässt, und wie es ist, wenn man fünfmal unterbrochen wird. Aber es geht vor allem um die Figuren und deren Heldenreise in so einer kurzen Begegnung wie einer Hörspielproduktion. Ich finde, es ist dialogisch witzig und die Figuren sind prima. Außerdem ist es nicht nur die Live-Veranstaltung, sondern wird ein Hörspiel im Radioprogramm, und da würden wir kein rein didaktisches Stück machen.

INKA: Würde das Stück im Stück, „Diese Ecke“, auch für sich funktionieren?
Toma: Wenn man viel Geduld oder Fantasie hat... In „Schalltot oder lebendig“ bekommt man natürlich nicht das ganze Stück mit, wenn es das in der Fantasie des Autors gäbe. Aber dass man sich so einen Mikrokosmos nimmt, darüber reflektiert und da etwas spielen lässt, das kann ich mir schon vorstellen. In „Diese Ecke“ werden sehr krude Situationen konstruiert. Der Protagonist starrt viel auf die Ecke in seiner Küche. Da muss man aufpassen, dass das nicht sich selbst wiederholend wirkt.

INKA: Der Pressetext sagt: „Scheußlich, schön, radikal – ein ganz normales Skript“. Stimmen Sie zu?
Toma: (lacht) Ja! Bei einer Hörspielproduktion gehören Zaudern und Zweifeln dazu. Dieser Prozess ist schön, auch radikal, weil er einem viel abverlangt, und natürlich auch mal scheußlich. Alles auf einmal!

Do, 12.11., 21 Uhr, ZKM-Medientheater, Karlsruhe, anschließend Diskussion: „Kunstvoll eins aufs Ohr! – Was leistet Hörspielregie?“, eine Veranstaltung des Verbandes der Hörspielregie (VdHR)
www.hoerspieltage.ard.de

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