Schatten (Eurydike sagt)
Bühne & Klassik // Artikel vom 27.11.2014
Orpheus und Eurydike? Eurydike und Orpheus!
Orpheus und Eurydike, ein uralter Mythos, zigfach inszeniert und adaptiert. Eins bleibt aber immer gleich: Orpheus ist der Star und Eurydike seine Gespielin, auf die sich seine Lust richtet. Elfriede Jelinek dreht in „Schatten (Eurydike sagt)“ an diesen Verhältnissen. Regisseur Jan Philipp Gloger, der das Stück am Badischen Staatstheater inszeniert, gibt Einblicke.
INKA: Was für eine Musik macht Orpheus bei Ihnen, Herr Gloger?
Jan Philipp Gloger: Er ist natürlich furchtbar traurig über den Verlust Eurydikes und verleiht seiner Trauer singend Ausdruck. Die Schmachtballade ist ja typisch für die Trauerinszenierung eines männlichen Rockstars. Allerdings herrscht auf der Bühne Männerverbot, es spielen nur Frauen mit. Orpheus wird natürlich trotzdem immer auf eine Weise präsent sein – es geht Jelinek aber um eine Umkehrung der Geschichte. Über Jahrtausende ist Eurydike zum Objekt von Begierde und männlichen Machtzuweisungen gemacht worden. Jelinek betrachtet die Sage nun aus der Sicht der Frau.
INKA: Heute haben sich die Verhältnisse scheinbar angeglichen. Viele der Big Seller in der Popmusik sind weiblich, es gibt also nicht mehr nur „Orpheuse“. Ist das alles nur Schein?
Gloger: Die Frauen haben sich die Popmusik ganz neu erobert, aber das heißt ja nicht, dass wir in einer gleichberechtigten Welt leben. Jelinek untersucht, wie unterschiedlich Männer und Frauen trauern, und was das über unsere Welt aussagt, wenn sich Frauen wünschen, nur noch „Schatten“ zu sein.
INKA: Das ist ja Eurydikes Ziel in „Schatten“. Ist das – also körperlos zu sein, zu verschwinden – denn wirklich Jelineks Ausweg aus den Machtverhältnissen?
Gloger: Im Grunde ist das das gewünschte Ziel, der Text ist im Kern ziemlich depressiv – andererseits aber auch sehr lustvoll. Jelinek zieht viel Spaß und Energie aus diesem Perspektivwechsel.
INKA: Wie ordnet sich Jelinek denn selbst ein? Sie, die bekannte Schriftstellerin, ist mit einem unscheinbaren Informatiker verheiratet, also läuft es bei ihr ja eigentlich umgedreht...
Gloger: Sie ist der Star, ja. Aber sie vermittelt schon das Gefühl, dass sie sich in Eurydike sieht und Eurydike in sich. Klar weiß Jelinek, wie es ist, im Rampenlicht zu stehen, aber wir wissen auch, dass sie das äußerst ungern tut und ein kritisches bis angriffslustiges Verhältnis zu den Medien hat.
INKA: Was hat es mit den fünf Schauspielerinnen auf sich, die mitwirken?
Gloger: Der Text, eigentlich ein Monolog, wird aufgeteilt. Mir ist wichtig, Brücken zur Lebenswelt zu schlagen und verschiedene Frauen darzustellen, die Wiedererkennungspotenzial haben. Da gibt es ein „Fashion Victim“, das unter seinen Kleidern verschwinden will. Eine andere, etwas ältere Frau hat eine Wut auf junge, hysterische, weibliche Popfans, und eine dritte stellen wir als klassische Eurydike dar, die sich im Nymphenhain tummelt, aus dieser Welt aber ausbrechen will.
INKA: Was reizt Sie grundsätzlich an Jelinek?
Gloger: Ich bin ein Fan dieser Sprache! Ihre Texte setzen das Banale neben das Große, sie handeln vom einzelnen Menschen und dem gesellschaftlichen Ganzen. Jelineks Sprache ist eine spannende, ja schon musikalische Partitur, ein Trip – ein Surfbrett, auf dem man lossurfen kann! -fd
Premiere: Do, 27.11., 20 Uhr; weitere Termine: Fr, 5.+12.12., 20 Uhr, Badisches Staatstheater, Kleines Haus, Karlsruhe
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