Zuhause

Bühne & Klassik // Artikel vom 28.05.2015

Wohlfühl-Oasen und Frust bei Ikea.

Trautes Heim, Glück allein? Die Figuren in Ingrid Lausunds „Zuhause“ leben im Spannungsfeld zwischen Luxusmöbeln, Rückzugsort und Einsamkeit. Florian Hertweck inszeniert das Stück am Badischen Staatstheater und öffnet im Gespräch die Tür zur Probebühne.

INKA: Spielen die eigenen vier Wände heute eine wichtigere Rolle als noch vor zehn oder 20 Jahren?
Florian Hertweck: Ich denke, das ist individuell sehr verschieden. Ich glaube aber, dass wir Deutschen überdurchschnittlich besorgt sind um das Aussehen unseres Zuhauses und um seine Einrichtung. Wenn wir Besuch empfangen, zeigen wir erst einmal alle Zimmer. In anderen Ländern wäre das unhöflich oder man macht es einfach nicht. Ob das früher anders war, weiß ich nicht. Ich bin viel mobiler als meine Elterngeneration. Für mich hat Zuhause eine andere Bedeutung, da geht es ums Wohlfühlen, darum, einen Anker zu haben. Auch bei Ingrid Lausund ist Zuhause nicht immer genau zu verorten, sondern liegt oft bei einer Person oder in einem Zusammenhang.

INKA: Was sind denn das für Personen, über die sie schreibt?
Hertweck: Da gibt es die Frau in der perfekt renovierten Altbauwohnung mit zwei Kaminen, die aber feststellt, dass es mit ihrem Mann überhaupt nicht läuft, und dann zwischen erfüllter Beziehung und gemütlichem Zuhause abwägt. Ein anderer Mann lässt aus dem Jenseits sein Leben Revue passieren und merkt, dass er nirgends wirklich zu Hause war, weder bei Menschen noch an Orten. Nicht einmal das Grab, das er sich als letzten Fixpunkt schon zu Lebzeiten kaufen wollte, konnte er bekommen. Eine andere Frau hat sich daheim eine Wohlfühl-Oase eingerichtet. Aus einer erotischen Fantasie in ihrer Badewanne wird plötzlich ein kenterndes Flüchtlingsboot. Da ist Lausund sehr politisch. Unsere Aufgabe ist, daraus etwas Plausibles und Ernstzunehmendes zu machen.

INKA: Wie stehen Ernst und Humor in „Zuhause“ denn zueinander?
Hertweck: Ingrid Lausund ist eine tolle Alltagsbeobachterin und hat auch die sprachlichen Mittel, das in Textform zu gießen und die Sprache gruppenspezifisch zu nutzen. Sie nennt die Monologe ihrer Figuren selbst tragikomisch. Wenn sich dort eine Komik entwickelt, dann über das Scheitern und die Tragik. Die Probleme der Figuren sind alle ernst zu nehmen. Aber so, wie sie erzählt sind, kann man bei allem Ernst zwischendurch auch herzlich lachen.

INKA: Die Textvorlage sind zwölf Monologe. Wie wird das umgesetzt?
Hertweck: Wir nehmen sechs dieser Monologe und verteilen sie auf sechs Schauspieler. Momentan sind wir auf Feldforschung – zum Beispiel fahre ich mit einem Schauspieler zu IKEA. Der junge Mann, den er spielt, verzweifelt dort an seiner Kalkulierbarkeit als Zielgruppe, wobei er doch eigentlich total individuell sein will. Für die Bühne schwebt uns eine Art Heimatmuseum vor, so wie man es aus Volkskundemuseen kennt. Dafür sammeln wir gerade Wohngegenstände über E-Bay-Kleinanzeigen. Die Karlsruher Wohnungen und ihre Bewohner, die wir dabei kennenlernen werden, helfen uns vielleicht, Ideen jenseits von Klischees zu entwickeln. -fd

Offene Probe: Do, 28.5., 19 Uhr, Premiere: So, 31.5., 19 Uhr, auch Mi, 3.6., 20 Uhr, Badisches Staatstheater, Studio, Karlsruhe

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