Privatwirtschaftliche Liveclubs fordern neue Rahmenbedingungen
Clubkultur // Artikel vom 15.05.2020

Als erste geschlossen, als letzte wieder geöffnet – auch wenn jetzt schon vielerorts über diverse Lockerungen gesprochen wird, ist eine Öffnung für Clubs und Livekonzerte noch lange nicht absehbar.
Denn diese Einrichtungen existieren zu einem einzigen Zweck: Menschen zusammenzubringen. Selbst Konzerte oder Clubnächte in Musikspielstätten mit einer Kapazität unter 1.000 Quadratmeter wären bei Einhaltung der aktuellen Vorgaben der Länder und des Bundes wirtschaftlich nicht tragfähig. Wenn in Zukunft wesentlich weniger Personen in die Locations gehen dürfen, läge die maximale Auslastung bei zirka 20 Prozent. Damit können die Kosten nicht aus den Einnahmen der Tickets und Getränken gedeckt werden, denn die Preise lassen sich nicht derart erhöhen – unabhängig davon, ob sich jemand eine solche Konzertsituation oder Clubnacht überhaupt vorstellen mag.
Denn ein guter Abend im Club ist nichts anderes als intendierte Tröpfcheninfektion und damit der natürliche Feind einer zielführenden Pandemie-Bekämpfung. Weil die Livemusik-Locations in privater Trägerschaft somit noch besonders lange und intensiv unter den Auswirkungen der Corona-Krise zu leiden haben werden, fordern sie neben einer zweiten Soforthilfe auch bereits jetzt eine Diskussion möglicher Änderungen der Rahmenbedingungen für die nähere Zukunft, um die Chancen auf einen sinnvollen Weiterbetrieb einschätzen zu können.
Über 30 Locations – darunter die Halle 02 in Heidelberg und das Mannheimer Capitol, aber auch das Harry Klein und das Pacha (München), Gloria (Köln), Gruenspan (Hamburg), Berghain (Berlin) und die Batschkapp (Frankfurt) – haben daher einen gemeinsamen Appell an die Politik formuliert, um Perspektiven für einen Weiterbetrieb zu schaffen. Sollte nichts passieren, müssten diese Clubs wohl schließen. Die Forderungen und Vorschläge im Wortlaut:
Unsere Probleme
Wir sind Kulturbetriebe, die aufgrund der minimalen Umsatzrendite keine Rücklagen erwirtschaften konnten. Trotzdem wollen wir unsere gesellschaftliche Aufgabe, Livekultur bereitzustellen, die wir bereits seit Jahrzehnten erfüllen, auch weiterhin übernehmen, denn niemand will sich eine Welt ohne Konzerte vorstellen. Deshalb wollen wir neben dem Empfang von Soforthilfen auch selbst Verantwortung übernehmen und durch Kredite und andere Maßnahmen unsere Existenz sichern. Für unseren Weiterbetrieb, für den auch noch über Jahre hinweg Umsatzeinbrüche und höhere Kosten zu erwarten sind, benötigen wir jedoch bereits jetzt geänderte Rahmenbedingungen, um beispielsweise das Risiko für die Rückzahlung in Anspruch genommener Kredite oder anderer Verantwortungen eingehen zu können.
Absehbare Zahlungsunfähigkeit
Der Liquiditätsbedarf ist durch die lange Zeitspanne des Veranstaltungsverbotes so hoch, dass Banken in vielen Fällen nicht gewillt sind, notwendige Obligos einzugehen, da der Zeitpunkt der Rückkehr zum Geschäftsmodell ungewiss ist. Vor allem mittelgroße Unternehmen (50+ Mitarbeiter) erhalten entweder keine weiteren Kredite oder müssen außergewöhnlich viel Eigenkapital und Sicherheiten stellen.
Überschuldung
Eine bilanzielle Überschuldung ist unter aktuellen Möglichkeiten nicht abwendbar. Die Unternehmen verlieren pro Monat einen durchschnittlichen Jahresertrag. Die Ertragskraft ist nicht ausreichend, um Fremdkapital in gebotener Zeit zurückzuführen. Eigenkapital ist nicht ausreichend vorhanden und die Verschuldungsquote wäre tendenziell zu hoch.
Fixkostenbelastung
Trotz aller verfügbaren Maßnahmen verbleibt eine Sockelbelastung durch Fixkosten, die nicht eingespart werden können. Je länger der Lockdown, desto unlösbarer wird der Liquiditätsbedarf. So können wir über längere Zeiträume Mietzahlungen weder einstellen noch stunden. Zumal meist nicht unerheblich hohe Nebenkosten weiterhin zu zahlen sind. Eine erhöhte Wirtschaftlichkeit nach Wiedereröffnung, die notwendig wäre, um gestundete Beträge, Tilgungen und Zinsen zu bedienen, ist wenig realistisch. Auch während der Schließung sind Kosten für technische Wartungen und Prüfungen (wie aufgrund der Versammlungsstätten- und PrüfVO der Länder turnusgemäß erforderliche, wiederkehrende Prüfungen für technische Einrichtungen, elektrische Anlagen etc.) aufzuwenden, Personal fortzubilden (z.B. Schulungen im Bereich Erste Hilfe und Brandschutz) oder Schädlinge zu bekämpfen.
Unsere Forderungen an die Politik
Wir brauchen schnellstmöglich verlässliche Vorgaben, um zukünftige Risiken besser einschätzen zu können und schließen uns hier den Forderungen einiger Veranstaltungsverbände an.
Umgestaltung der Kreditprogramme
Kreditprogramme müssen so gestaltet sein, dass sie ohne Bedingungen und vollständig abgesichert mit deutlich längeren Laufzeiten und längerer anfänglicher Tilgungsaussetzung möglich sind. Zudem bedarf es an Möglichkeiten für einen späteren Teilerlass der Kredite. Auch die Sofortkredite sind teilweise noch nicht ausreichend ausgestaltet. Private Rücklagen oder Rücklagen, die in Unternehmen zur Altersvorsorge gebildet wurden, dürfe nicht verloren gehen.
Sicherung der Liquidität / Vermeidung der Bilanzüberschuldung
Ein mehrjähriger (befristeter) Verlustrücktrag sollte sicherstellen, dass Unternehmen gerettet werden können, die in der Vergangenheit erfolgreich gewirtschaftet und regelmäßig Steuern gezahlt haben.
Fixkostenzuschuss durch einen weiteren Nothilfefond
Betroffene Unternehmen sollen zwei Prozent des durchschnittlichen Jahresumsatzes aus dem Jahr 2019 (vorläufiger Jahresabschluss oder BWA 2019) ab dem vierten Monat des Veranstaltungsverbotes monatlich bis zur Wiederaufnahme des Normalbetriebes als Zuschuss erhalten. Dies wäre einfach und unbürokratisch zu überprüfen und entspricht in der Regel der branchenüblichen Höhe der Fixkosten.
Anpassung der Bedingungen für Kurzarbeit
Die Unternehmen sind unverschuldet in diese Krise geraten und nutzen Kurzarbeit, um den Liquiditätsabfluss zu reduzieren. Mitarbeiter müssen trotzdem arbeiten, um wichtige Innovationsprojekte, Umweltprojekte, Prozessoptimierungen und Projekt-Planungsleistungen anstoßen zu können. Damit wird die Zukunftsfähigkeit der Unternehmen gesichert. Spielstätten und Clubs erzielen ihre Attraktivität durch das Engagement von KünstlerInnen, deren Engagement meist eine Vorlaufzeit von drei bis sechs Monaten hat. Dieser Aufwand, der nicht durch das Kurzarbeitergeld gedeckt ist, sondern von den Unternehmen selbst gezahlt wird, muss ausgeglichen werden.
Ermäßigter Mehrwertsteuersatz bspw. auf Getränke/Essen bei Konzerten
Wie die Konzerteintritte sollten die Einnahmen durch Getränke als Nebenleistungen und Partyveranstaltungen mit dem ermäßigten Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent bedacht werden, um mit den verbleibenden Mehrumsätzen, beispielsweise in Anspruch genommene Kredite tilgen zu können.
Investitionszuschüsse für nachhaltige Investitionen
Ausschluss von Tanzveranstaltungen bei der Vergnügungssteuer
Städte, die Tanzveranstaltungen mit einer Vergnügungssteuer belasten, sollten aus der Verordnung ausgenommen werden. -ps/pat
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