Visuals in Karlsruhe – ein Roundtable

Clubkultur // Artikel vom 15.04.2015

Sehen und übersehen werden?

VJs bzw. Visualisten können ganz entscheidend zur Atmosphäre einer Partynacht oder eines Konzerts beitragen, stehen aber fast immer im Schatten der DJs. Friedemann Dupelius hat vier Visualisten aus Karlsruhe an einen Tisch gesetzt, die sich über ihre Arbeit und Erfahrungen austauschen: Cappel Nord alias Patrick Borgeat tritt seit 2010 als „Live Visual Performer“ mit eigens dafür programmierter Software hauptsächlich in Clubs auf. Eros Ion alias Markus Kirste kleidet seit den 90er Jahren Partys visuell ein. Arbeitet mit Diaprojektoren, analogem Licht und Projektionen in den Raum. Ist auch DJ. Lybes Dimem: Lukas Rehms Live-Act koppelt Musik und Visuals gleichberechtigt. Arbeitet auch als Bildender Künstler mit Licht und Projektion im Raum. VJ Photon: Maximilian Löschner war mehrere Jahre Stamm-VJ bei der Reihe „Klick Klack Klub“ und arbeitet mit der Software Modul 8.

INKA: Wie geht ihr an einen Abend mit Visuals heran?
Cappel Nord: Ich wähle visuelles Material aus, das sich in meinem Sammelsurium angehäuft hat, und versuche in der Performance, eine Dramaturgie draus zu entwickeln.
Eros Ion: Ich improvisiere viel. An eine fünfstündige Party geh ich anders ran als an eine Installation. Mir ist es wichtig, eine Atmosphäre zu schaffen. Ich erzeuge eine Grundstimmung. Wenn ich mit einem Diaprojektor auf die Leute projiziere, entsteht dann auch Bewegung im Bild, wenn die Leute durchlaufen. Die Musik steht bei mir aber im Vordergrund.
VJ Photon: Mein Anspruch ist schon, dass beides den gleichen Stellenwert hat. Meistens projiziere ich klassisch auf die Leinwand, habe aber auch schon mal zehn alte Röhrenfernseher bespielt oder mit einer riesigen Bauplane vor den DJs gearbeitet
Lybes Dimem: Das Interessante ist, vor Ort mit den Begebenheiten der jeweiligen Räume zu arbeiten. Ich brauche immer eine Woche Vorlaufzeit, baue in die Räume hinein, arbeite an Mappings...
Cappel Nord: Ich denke nicht so viel in der Raum-Kategorie, ich denke an Kino und Leinwand. Ich mag auch Parties, die ein bisschen wie Kino sind – wo die Leute vielleicht auch weniger tanzen und mehr schauen und wo die Musik auch mal in den Hintergrund tritt, wenn die Visuals gut genug sind.

INKA: Markus, du projizierst manchmal auch Texte in den Raum...
Cappel Nord: ...willst du mit Visuals Bedeutung transportieren?
Eros Ion: Wenn man sich drauf einlässt, kann man Inhalte mitbekommen. Aber man kann es auch einfach als Lichtinstallation begreifen. Ich will auch nicht mit der Faust aufs Auge eine Message mitgeben.
Cappel Nord: Ich vermeide es komplett, Gesichter zu zeigen. Das hat viel zu viel Bedeutung für alle. Ich bin auch kein Fan von Vintage-Material wie alten Filmclips. Für mich hat das zu viel Inhalt und baut eine Ebene, die viel zu weit weg ist von der Party. Da möchte ich die Leute in Gedanken nicht haben.
Lybes Dimem: Trotz der Sensibilität gegenüber etwas, das zu viel erzählt – habt ihr eine Dramaturgie? So wie ein DJ sich überlegt, wie der Abend beginnt und wie es weitergeht?
VJ Photon: Die ersten Clips kann man schon gut vorbereiten, aber einen Fünf-Stunden-Abend vorzubereiten ist schwierig. Man muss sich jedenfalls gedanklich auf die Musik einstellen.
Cappel Nord: Du kannst auch eine eigene Linie führen, die sich mal mit der Musik trifft und dann wieder woanders hingeht. Wenn es in einem Track einen Höhepunkt gibt, akzentuiere ich auch mal den Beat für acht Takte mit rhythmischen Bildern, die auf die Kicks passen. Aber wenn das immer da ist, nervt es – das sind nur Akzente, so wie wenn man mal das Strobo anmacht.

VJ Photon: Das Schwierigste als VJ in Karlsruhe ist, passende Orte und Veranstalter zu finden. Es gibt praktisch keinen Markt, sein Zeug umzusetzen, auch wenn man schöne Ideen hat.
Cappel Nord: In vielen Locations ist es gar nicht wirklich vorgesehen. Da hängt kein Projektor und keine Leinwand.
Lybes Dimem: In Mannheim hängt ein Beamer in jedem Laden, in dem ich war. In Karlsruhe findet eher punktuell etwas statt, was nicht installiert, sondern auf temporäre Intervention angelegt ist, und das ist toll. Da spürt man den Touch von ZKM und HfG.
VJ Photon: Clubbetreiber gehen meistens davon aus, dass VJs ihren Beamer selber mitbringen. Ich finde, für den DJ sollte eine Anlage da sein und für den VJ ein Beamer. Wie ist das an der HfG?
Lybes Dimem: Das ist natürlich ein luxuriöser Raum , man kann auf ganz andere Mittel zurückgreifen. Dadurch ist es auch etwas uninteressant. Es ist viel zu einfach, was zu realisieren.
Eros Ion: Wer Visuals auf seiner Party mit einbaut, sollte sich im Klaren sein, was für ein Aufwand dahinter steckt. Dafür gibt’s in Karlsruhe kein Bewusstsein. Ich musste mir schon anhören, dass der eine DJ schon 500 Euro kostet und für mich jetzt kein Geld mehr übrig sei. Dabei steht man die ganze Nacht mit seiner Technik im Rauch und arbeitet…
VJ Photon: Ein Clubbetreiber hat mir mal abgesagt, wollte dann aber eine DVD von mir. Das ist ein Witz – man soll umsonst oder für 50 Euro für ein paar Stunden an einer DVD arbeiten, die dann dort jahrelang läuft? So nach dem Motto: Es kann doch nicht so schwer sein, ein paar Videos zusammenzustellen.
Cappel Nord: Natürlich sind die meisten Partygäste nicht wegen den Visuals da und verstehen auch die Rolle nicht, die man da einnimmt. Ich bin schon so oft gefragt worden, ob ich „Happy Birthday“ spielen kann…
Lybes Dimem: ...du kannst ja „Happy Birthday“ schreiben!
Cappel Nord: Im Grunde fängt es bei der Promoarbeit an. VJs sollten gleichberechtigt mit den DJs auf Flyern stehen und auch als Künstler gesehen werden. -fd

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Kommentar von Nodepond |

Das Thema Wertschätzung für Visuals ist in der Tat ein Thema. Das sieht im Kölner Raum nicht unbedingt anders als bei euch. Ich denke, ein erster Schritt in richtige Richtung wäre, die Vertreter der visuellen Zunft auch entsprechend Prominent auf den Flyern / den Einladungen zu platzieren. Auch Ausstattung, bzw. Aufwandsentschädigung für mitgebrachtes Equipment ist eine Art Blinder Fleck in der Wahrnehmung der Betreiber. Ich denke, im Endeffekt will man nicht mehr Geld ausgeben als unbedingt nötig. In Zukunft braucht es also mehr Gäste, die extra wegen den Visusals kommen... *winkmitdemzaunpfahl* ;)

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