Die Wahrheit der Lüge

Kino & Film // Artikel vom 10.04.2012

Falsche Scham kennt Filmemacher Roland Reber nicht.

Wegen vermeintlich echter Orgasmen stürzte sich selbst „Bild“ auf die sonst von der „Süddeutschen“ protegierte Münchner WTP-Crew und ihre „Engel mit schmutzigen Flügeln“. Auch die neue Produktion, ein klaustrophobisches Psychodrama, zeigt keine Berührungsängste mit nackter Haut.

Sex spielt diesmal jedoch weniger eine Rolle: Der Autor (Christoph Baumann) bezahlt für sein Buchprojekt über Grenzerfahrungen zwei Frauen, sich ihm zu unterwerfen. Auf einer verliesähnlichen Industriebrache nötigt er die Mutige (Marina Anna Eich) und die Zögerliche (Julia Jaschke) zum „Gipfel“, indem er sie psychisch und physisch entblößt, durch Waterboarding und Kreuzigung foltert. Ohne Erfolg.

Seine Verlegerin (Antje Nikola Mönning) weiß, warum er die beiden nicht brechen kann: Der Fünf-Tage-Freilassungs-Countdown hält die Hoffnung am Leben. Als sie den Gefangenen mit dem Tod droht, entgleiten dem Peiniger die Fäden. Er ist selbst Part des Machtspiels geworden, das seine Metaphernhaftigkeit schon durch die austauschbaren Protagonisten kolportiert. Minimalismus bleibt die Maßgabe. Wie üblich wurde ohne einen Cent Fördergeld (aber erstmals auf HD-Profi-Equipment mit der Arri Alexa) gedreht.

Dass der vom Theater kommende Reber sein kammerspielartiges Filmkonzept aufweicht und diesmal vermehrt Kamerafahrten einsetzt, bringt dagegen wohltuende Bewegung in die sonst oft statische Szenerie. Auch weil die Dialoge weniger philosophierend gehalten sind, spricht „Die Wahrheit der Lüge“ eine deutlichere Sprache. Mit mainstreamigen Sehgewohnheiten wird angesichts der surrealen, teils bizarr-grotesken Bilder immer noch gehörig gebrochen; allerdings hat der Exzentriker unter den deutschen Regisseuren seine bis dato allgemeinverträglichste Arbeit abgeliefert.

Zur Karlsruhe-Premiere stellt das WTP-Ensemble in Person von Mitproduzentin Marina Anna Eich und Mira Gittner (Bildregie/Kamera/Schnitt) den Film persönlich vor. -pat

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