a e i o u & Concrete Experience
Kunst & Ausstellungen // Artikel vom 01.03.2023
„Flüstern“ steht mit schwarzen Buchstaben auf der weißen Wand der Gewölbegalerie des Badischen Kunstvereins. Daneben „Rauschen“, „Rieseln“, „Wehen“ und „Hauchen“ – mit Pfeilen und Linien versehen.
Und obwohl es nur kurze Worte und minimalistische Symbole sind, bekommt man doch direkt Lust, sie laut auszusprechen, sich vielleicht sogar dazu entsprechend den Pfeilrichtungen zu bewegen. „Transparente Landschaften“ nennt die in Kaiserslautern gebürtige Ilse Garnier die Wandzeichnungen. Sie ist eine der bedeutendsten Vertreterinnen der Akustischen, Visuellen und Konkreten Literatur und Kunst; bei der Ausstellung „a e i o u“ im Badischen Kunstverein handelt es sich um die erste umfassende Einzelausstellung in Deutschland. Sowohl spielerisch als auch klassisch reduziert lädt die Werkschau dazu ein, die theoretischen Grundlagen sowie die Potenziale und wiederkehrenden Motive in der Poesie und Kunst von Garnier kennenzulernen.
Als Opener hierfür dienen bereits die mit Kreide aufgezeichneten Hüpfspiele im Foyer, die klar machen, dass die Interaktion mit dem Publikum einen wesentlichen Bestandteil der gezeigten Arbeiten ausmacht. Garnier arbeitete sowohl auf Deutsch als auch auf Französisch. Bei vielen ihrer Werke spielt das vielleicht aber auch keine allzu große Rolle, da oftmals die Strukturen der Worte und deren Darstellung im Vordergrund stehen. Manche Gedichte lassen tatsächlich nur aus der Nähe einzelne Wörter erkennen – aus der Distanz sieht man viel mehr Anlehnungen an Architektur, organische Formen, geometrische Kompositionen und Figuren. Feine Buchstaben auf zart eingefärbten Untergründen in ausgewogener und ausbalancierter Hängung: rundum sehr ansprechend! Ein besonderes Highlight ist außerdem der Lesetisch im letzten Raum der Ausstellung, auf dem zum einen Künstlerinnenbücher von Garnier angeschaut werden können, zum anderen aber auch die Möglichkeit besteht, selbst an einer alten Schreibmaschine eigene Texte und Poesie zu verfassen und diese mit nach Hause zu nehmen.
Passend zum Thema der Konkreten Poesie zeigt die dazu parallel laufende Ausstellung „Concrete Experience“ im Lichthof des Kunstvereins Werke von Künstlerinnen und Poetinnen der 60er und 70er Jahre. In einer großformatigen Arbeit treibt Irma Blank hier die Loslösung von Texten zugunsten der Optik auf die Spitze: Statt einzelne Wörter und Buchstaben darzustellen, bildet sie lediglich eine Strichfolge ab, die die Gesamtheit einer Textseite abbilden soll. Der Hintergedanke hierbei könnte kaum aktueller sein: Durch das visuelle Abbild von Textseiten reagiert die Künstlerin auf die Informationsflut von Medien. -sab
bis 16.4., Badischer Kunstverein, Karlsruhe
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