Auf den „Verborgenen Spuren jüdischer KünstlerInnen“ in der Städtischen Galerie
Kunst & Ausstellungen // Artikel vom 04.07.2021
Die Ausstellung beginnt mit schwerer Kost. Nur zwei der 24 vertretenen Kunstschaffenden haben sich bildnerisch mit dem Schrecken des Erlebten im Konzentrationslager auseinandergesetzt.
Die Ausstellung beginnt mit schwerer Kost. Nur zwei der 24 vertretenen Kunstschaffenden haben sich bildnerisch mit dem Schrecken des Erlebten im Konzentrationslager auseinandergesetzt. Diese Bilder sind nicht leicht anzusehen. Man erahnt, welche Gräuel diese Menschen erleben mussten. Doch auch wenn der Antisemitismus viel vom Wirken der jüdischen Intellektuellen ausgelöscht hat, enden die Spuren nicht dort und reichen noch weit in die Vergangenheit zurück. Die Ausstellung zeigt, dass die im 19. und frühen 20. Jahrhundert in Karlsruhe lebenden Juden Menschen mit Hoffnungen waren; Menschen, die mich von den Porträts am Eingang ernst anblicken. Die Herren ästhetisch, die Damen modern und mutig.
von Vivian Eckstein
Die Innenstadtfotografien und Planungsentwürfe des Architekturbüros Curjel & Moser deuten an, in welcher Welt diese Menschen leben: Kaufmannsläden und kleine Geschäfte säumen die sich gerade erst entwickelnde Einkaufsstraße, die Industrialisierung eröffnet neue Möglichkeiten für Geschäftsleute. Typische Cafés mit Interieur der Jahrhundertwende erinnern spontan eher an aufregende Großstädte als an das heutige Karlsruhe. Doch auch kulturell hatte die damalige Stadt viel zu bieten. Gute Bildung war und ist in der jüdischen Kultur seit jeher wichtig. Sie emanzipiert und bring weibliche Talente zum Erblühen, was sich in dem außergewöhnlichen Umstand zeigt, dass ein Drittel der vertretenen Künstler Frauen sind. Eine Vorreiterrolle nahm die 1885 gegründete Malerinnenschule ein, die neben der bis 1919 ausschließlich männlichen Bewerbern zugänglichen Kunstschule und der Kunstgewerbeschule die kulturelle Vielfalt begünstigte. Fünf Jüdische Schülerinnen haben dieses Institut zwischen 1894 und 1910 besucht, von denen vier auch in der Ausstellung vertreten sind: Emma Dessau-Goitein, Anna Klein, Klara Vogel-Gutmann und die Visionärin Sonja Delaunay, die sich schon während der Studienzeit vom gelehrten Realismus abwandte und zu einer wichtigen Vertreterin der Moderne wurde. Was muss es für diese Frauen bedeutet haben, in der ersten Künstlerinnenschule mit professionellem Anspruch in Deutschland zu studieren?
Als Jüdinnen endlich neue Ebenen zu betreten, anstatt das künstlerische Schaffen auf eine Zukunft als nicht ernst genommene Zeichenlehrerin reduziert zu wissen. Die Arbeiten fallen vor allem als facettenreich auf und die jüdischen Künstler und Architekten als homogene Gruppe zu verstehen, ist zu kurz gegriffen: Verschiedene Stile mischen sich und die Akteure probieren sich offensichtlich aus. Man bekommt den Eindruck von jungen Menschen, die dabei sind, sich zu entfalten; Intellektuelle, die trotz der Diskriminierung und Ausgrenzung durch ihre religiöse Zugehörigkeit kreativ und lebenshungrig arbeiteten. Man kommt nicht umhin, nachzuverfolgen, wer wann und wo gestorben ist. Einige haben es geschafft, zu emigrieren und ein langes Leben in der Fremde geführt. Wie Gustav Wolf, dessen eindringlich ernste Malereien in großer Zahl vertreten sind. Doch anhand der sehnsuchtsvollen, schwermütigen Bilder kann man sich selbst ausmalen, welche Spuren das Erlebte hinterlassen hat. Die Ausstellung vermittelt ein Gefühl von Menschen, die vor uns in Karlsruhe zu leben versuchten, trotz widrigster Umstände. Wenn ich das nächste Mal durch die Stadt gehe, werde ich die Augen offenhalten nach weiteren verborgenen Spuren. Für 29 Euro ist ein ausführlicher Katalog erhältlich.
verlängert bis 12.9., Städtische Galerie Karlsruhe
www.verborgene-spuren.de
WEITERE KUNST & DESIGN-ARTIKEL
Jochen Kuhn – „Der Aufräumer“
Kunst & Ausstellungen // Artikel vom 29.11.2025
Die gemalten Filme von Jochen Kuhn sind einzigartig.
Weiterlesen … Jochen Kuhn – „Der Aufräumer“Eva Rosenstiel – „Imprinting“
Kunst & Ausstellungen // Artikel vom 23.11.2025
Die biografische Affinität zu Stoffen ist ihrer Malerei eingewoben wie ein roter Faden.
Weiterlesen … Eva Rosenstiel – „Imprinting“Vorweihnachtliche Gruppenausstellung mit Glühwein
Kunst & Ausstellungen // Artikel vom 22.11.2025
Der vielseitige Künstler Manuel Kolip, von dem es auch tolle Bühnenmalerei gibt, hält seine früher in der Südlichen Waldstraße beheimatete Pop-up-Galerie weiter am Leben.
Weiterlesen … Vorweihnachtliche Gruppenausstellung mit GlühweinNeueröffnung: Schillllerstraße
Kunst & Ausstellungen // Artikel vom 20.11.2025
Eine neue Off-Galerie, ein „Studio x Workspace“ für Ausstellungen, Workshops und Events.
Weiterlesen … Neueröffnung: SchillllerstraßePest oder Cholera
Kunst & Ausstellungen // Artikel vom 14.11.2025
Pest oder Cholera – die Redewendung klingt nach medizinischer Katastrophe, meint aber weit mehr.
Weiterlesen … Pest oder CholeraEnter, Exit, Enter, Enter, Exit
Kunst & Ausstellungen // Artikel vom 12.11.2025
Wir konstruieren, reproduzieren und erzählen in einem fortwährenden Fluss, wie ein Fließband kreieren wir Geschichten und lassen sie zu Werkzeugen werden.
Weiterlesen … Enter, Exit, Enter, Enter, ExitJohannes Gervé – „Auf dem Wasser zu singen“
Kunst & Ausstellungen // Artikel vom 09.11.2025
Johannes Gervés Malerei nähert sich suchend der Weite und Tiefe eines offen gedachten Landschaftsraums ohne spezifischen örtlichen Bezugspunkt.
Weiterlesen … Johannes Gervé – „Auf dem Wasser zu singen“Naturkundemuseum: Tag der offenen Tür 2025
Kunst & Ausstellungen // Artikel vom 08.11.2025
Zum 20. Mal zeigt das Staatliche Museum für Naturkunde an seinem Tag der offenen Tür, was sich hier rund um die Kernaufgaben Forschen, Sammeln, Bewahren und Wissenvermitteln so alles tut.
Weiterlesen … Naturkundemuseum: Tag der offenen Tür 2025BBK: Neue Mitglieder
Kunst & Ausstellungen // Artikel vom 07.11.2025
Mit der Ausstellung „Neue Mitglieder“ öffnet der BBK Karlsruhe einmal mehr ein Fenster zur lebendigen Vielfalt der regionalen Kunstszene.
Weiterlesen … BBK: Neue Mitglieder
Kommentare
Einen Kommentar schreiben