Dinge, die wir voneinander ahnen
Kunst & Ausstellungen // Artikel vom 06.05.2021
Der BKV ist Zentrum eines umfassenden Ausstellungs-, Recherche- und Veranstaltungsprojekts, das sich mit den Bildern und Gegenbildern von Europa beschäftigt.
Neben der Ausstellung „Dinge, die wir voneinander ahnen“ als Teil der 25. „Europäischen Kulturtage Karlsruhe“ mit 21 internationalen KünstlerInnen im Kunstverein ist eine reisende Akademie ab Juni geplant, die sich unter dem Titel „Dinge, die wir miteinander teilen“ in den verschiedenen Städten der Projektpartner lokalisiert. In Kooperation mit tranzit.at aus Wien wurden acht Co-Kuratoren aus Sarajevo, Poltava, Kiew, Baku, Prag, Minsk, Jerewan, Krasnodar und Bukarest eingeladen, um die Ausstellung zu realisieren und als transeuropäisches Netzwerk in einen langfristigen Dialog zu treten.
Die Ausstellung zeigt künstlerische Arbeiten, die sich kritisch mit den divergenten Perspektiven auf ein emanzipatorisch und demokratisch gedachtes Europa auseinandersetzen, welches an den Rändern (aber auch im Zentrum) derzeit zunehmend in Frage gestellt wird. Die Künstler gehen der Bedeutung von Objekten oder Dingen nach, die – je nachdem, wer sie interpretiert, für sich reklamiert oder gegen ihre vermeintliche Bedeutung deklamiert – verschiedene, oft gegensätzliche Identitätszuschreibungen in sich tragen. In der Rhetorik von Ein- und Ausschluss, in der die Verschiebungen und Verwerfungen von Ökologie und Ökonomien, eine zunehmend nationalistische Identitätspolitik, die technologischen Umbrüche sowie der massive Wandel der Lebenswelt die europäischen Gesellschaften von heute zu zerreißen drohen, werden Dinge oft zu Stellvertretern für essenzielle Annahmen über „die Anderen“.
Neben den künstlerischen Arbeiten integriert die Ausstellung einige der konfliktreichen Objekte selbst, die aus politischer, kultureller oder sozialer Perspektive verschiedene Ideen und Visionen von Europa symbolisieren. Ob Alltagsgegenstände, politische Symbole, Texte oder Kryptogramme – semantisch aufgeladen können diese Dinge als antagonistische, aber auch vermittelnde und versöhnende Werkzeuge im Dialog zwischen vielfältigen gesellschaftlichen und kulturellen Konstellationen in Europa agieren. Sie treten uns dabei oft als Shapeshifter entgegen, die nie nur in einen Verhandlungshorizont eingebunden sind, sondern ihre Bedeutung ständig verändern. Die Künstler machen die problematische Stellung dieser Dinge sichtbar und loten zugleich das transformative Potential einer in Objekten verkörperten Geschichte aus. Was befähigt ein Objekt zur Repräsentation eines bestimmten kulturellen Komplexes und was verrät seine Materialität? Wie und wie weit färben der Diskurs und die Einordnung dieser Materialität unsere Wahrnehmung?
Als zweites Kapitel des Projekts ist ab Juni eine reisende Akademie geplant, die sich als eine nicht hierarchische Forschungsgruppe vorrübergehend in Karlsruhe und von dort aus in den assoziierten Ländern des Projekts verortet. Ausstellung und Akademie begreifen sich als eine demokratische Plattform, die lokale und internationale Netzwerke miteinander ins Gespräch setzt, langfristige Gemeinschaften initiiert und nach den Möglichkeiten einer transnationalen, europäischen Gesellschaft fragt. Begleitend zur Ausstellung erscheint eine Graphic Novel und ein Themenheft des Magazins „Springerin“. -ps/pat
7.5.-4.7., Eröffnung: Do, 6.5., Badischer Kunstverein, Karlsruhe
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