Entscheidung beim Künstlerwahlkampf
Kunst & Ausstellungen // Artikel vom 13.05.2009
Der demokratische Supergau hat auch die Fächerstadt erreicht.
Hier stellt sich analog zur Kommunalwahl auch die Künstlerschaft der Gunst des Volkes. Für das Kooperationsprojekt von ZKM und HfG haben die Karlsruher Künstler ihren Elfenbeinturm verlassen, um sich im Forum „Wahlheimat“ zu präsentieren. Bis zuletzt lief der Wahlkampf der KünstlerInnen. Für diese ging es nicht nur um die Teilnahme an der Ausstellung vom 6.6. bis 28.9. in der Nancyhalle, sondern, prozentual verteilt nach ihrer Stimmenzahl, auch um insgesamt 20.000 Euro Preisgeld bzw. Künstlerhonorar.
Hier tat sich ein großes Gefälle auf: Die Top vier vereinten von fast 15 Prozent für Spitzenreiterin Renate Schweizer über Christian Krämer (14 Prozent), Matthias Fritsch (13 Prozent bis zur Nummer vier, Daniel Fabry (rund elf Prozent) nahezu die Hälfte aller abgegebenen Stimmen auf sich.
Das Wahlergebnis hat zudem direkt Einfluss auf die Ausstellungsgestaltung, denn auch die Ausstellungsfläche wird prozentual anhand der Stimmanteile auf die 20 stimmstärksten Kunstkandidaten verteilt. Auch die zehn Unterlegenen bekommen aber – so sie denn wollen – einen „außerparlamentarischen Korridor“ für eine kleine Präsentation ihrer Arbeiten. -fb
Die Gewinner nach Wahl-Platzierung:
Startnummer 3 : REARESH --- „WELTEN-BÜRGER-DECKE“
Renate Schweizer versteht ihr Exponat als Einladung an alle Religionen und Nationalitäten, vermittels des verbindenden Elements des Teetrinkens zu kommunizieren: Ihre Decke besteht aus unzähligen Teebeuteln, die ihr Menschen aus aller Herren Länder schickten.
Startnummer 14 : DOME --- „STADTGESPRÄCH“
Die Fassaden der Stadt sind die Leinwand des „Street Artist“ Christian Krämer. „Stadtgespräche“ legt Fassaden wie Kleidungsstücke um von Personen dargestellte politische und gesellschaftliche Institutionen wie z.B. das Bundesverfassungsgericht.
Startnummer 12 : MATTHIAS FRITSCH --- „TECHNOVIKING“
Ein bärtig-beleibter junger Mann, der auf einer Berliner Straßenveranstaltung auffiel und sich schnell in die Herzen der YouTube-Community tanzte, ist Star des millionenfach angeklickten „Technoviking“-Videos, mit dem sich Matthias Fritsch mit den skurrilsten Blüten des Web2.0-Phänomens auseinandersetzt.
Startnummer 7 : DANIEL M. FABRY --- „GEGEN(W)ART“
Bei Daniel M. Fabry finden wir das aus der Popmusik bekannte Phänomen des „Featuring“: Die Förderung eines (noch) unbekannten Künstlers durch bereits Etablierte manifestiert sich in „Gegen(w)art“ mithilfe prominenter Namen wie Gavin Turk, Klaus von Bruch und Mischa Kuball, welche das Projekt durch eigene Exponate adeln.
Startnummer 18 : SCHLUDITSCH --- „BUNDESVERFASSUNGSGERICHT KARLSRUHE“
Daniel Schludis Fotos zeigen die dem öffentlichen Blick sonst verborgenen Büros des Bundesverfassungsgerichts, Sitz der höchsten nationalen Gerichtsbarkeit, wo durch Bannmeile und Wachpersonal geschützt die Maschinerie unserer Demokratie läuft.
Startnummer 29 : DEMONSTRANTEN 2.0 --- „PIXELDEMO.DE“
Auf der Internet-Plattform kann jeder mit geringem Aufwand seine eigene Meinung vertreten oder eine eigene politische Demo starten. Mit wenigen Klicks kann der Nutzer seinen Demo-Pixel personalisieren und auf beliebig viele der laufenden Pixeldemonstrationen der Plattform schicken.
Startnummer 30 : ANDREAS FRIEDRICH --- „RAKETENPORTRAITS FÜR DIE DEMOKRATIE“
Andreas Friedrichs Raketenportraits sind Symbole für die Säulen der Demokratie. Wie Informations-Leuchttürme ragen die illuminierten Litfasssäulen in die Nacht zahlreicher deutscher Großstädte, ihrer Funktion als Informationsträger beraubt.
Startnummer 10 : EGO-WEST --- „SCHWARZ-WEIß-WÄHLEN“
Politische Reden, Manifeste und Programme neigen zu inhaltlicher Radikalität. In seiner Installation und vermittels der Kunstfigur „Ego-West“ setzt sich Alexander Frohberg mit dem politischen Farbenspiel auseinander, das er in einem ersten Schritt symbolisch ausschaltet.
Startnummer 6 : LOTHAR RUMOLD --- „KUNSTSTÜCK MIT SPIEGELN“
Lothar Rumolds Videoinstallation erinnert an den Spiegelsaal im Schloss von Versailles, der als Thron- und Festsaal französischer Könige diente, kopiert u. a. Gesten der Macht und darf durchaus als Zerrbild politischer Landschaften verstanden werden.
Startnummer 24 : MOL --- „1 MINUTE OF LIFE“
„Hier könnte Ihre Werbung stehen“, tönt es oft von leeren Reklametafeln. Dem gegenüber stehen die berüchtigten von Andy Warhol proklamierten „15 minutes of fame“. In ihrem Fotoprojekt ‚verschenkt’ Birgit Spahlinger eine Minute Ruhm, die sonst den Stars und Sternchen vorbehalten bleibt.
Startnummer 28 : STEFFEN WOLF --- „STEFFEN WOLF FOTOGRAFIE“
Als bewussten Gegenpol zur politisch-parteilichen Bilderwelt des Wahlkampfes und visuellen Reizüberflutung bewirbt sich Steffen Wolf mit rein ästhetisierten Bildern, einer „fotografischen Entspannungs-Oase“, wo ein Radfahrer ein Radfahrer sein darf – und kein Statement zur Umweltpolitik.
Startnummer 13 : KAPTAIN BLACK SPARROW --- „DER KLUB“
„Der Klub“ der Künstlergruppe um Jürgen Galli, Paul Pawelzyk und Andreas Arndt thematisiert den Moment des exklusiven Zutritts zu Amt und Macht, drinnen oder draußen, in Form eines in der Ausstellung realisierten Privatclubs. Programm und Zugang sind ausschließlich Mitgliedern vorbehalten (Bestechung wird aber gewährt).
Startnummer 21 : MARIA VON BOLLA --- „KARLSRUHE SUCHT DEN SUPERKÜNSTLER“
Der Trend in der Entscheidungsfindung geht zum Zuschauer! Ausgehend von der Idee einer demokratisch gewählten Ausstellung wurde die Idee einer Castingshow-Persiflage für Künstler und Designer geboren, welche während der Ausstellung live produziert und per Internet übertragen werden soll.
Startnummer 26 : ACHIM NAUMANN --- „BUNDESKANZLERMATRIX“
Die „Bundeskanzlermatrix“, ein fotografisches Animationsvideo, montiert Bilder von Passanten zu einem fiktiven Bundestag im Karlsruher Stadtleben. Aus dem Wechselspiel der Blickwinkel und Positionen ergibt sich ein verwirrendes Personalkarussel.
Startnummer 17 : MINIMAL DART --- „B.U.D.“
Die Gruppenkandidatur minimal dart konzipiert für die „Wahlheimat“ ein Weiterbildungszentrum zum Thema Demokratie. Im Sinne eines Demokratie-Parcours können verschiedene Stationen durchlaufen werden.
Startnummer 19 : PIERO GLINA --- „THEM 2009“
Symbole und ihre Funktion als Bezugsanker sind Thema der Videoarbeit von Piero Glina. Ob Hammer & Sichel oder stolzer Adler – der Student des Kommunikationsdesigns thematisiert die Austauschbarkeit politischer Symbole durch ihre isolierte oder überbetonte Visualisierung.
Startnummer 5 : GINA PLUNDER --- „WUNSCH-HAUS“
Gina Plunders „Wunsch-Haus“ thematisiert den Begriff des Heims als Mikroheimat und fasst damit den sprichwörtlichen Gedanken „home is where your heart is“ in Skizzen und Zeichnungen zu einer Installation zusammen.
Startnummer 11 : WWW.WALWANDERUNG.DE --- „WAL-DEMONTAGE“
Kleine Fische werden von großen Fischen gefressen. Wer keine Mehrheit für sich erzielen kann, geht im Meer unbemerkt unter. In der Ausstellung realisiert die Künstlergruppe einen begehbaren Pottwal, in dessen Inneren der Besucher fliegende Fische, also bereits „gefressene“ Opfer des größeren Tieres bewundern kann.
Startnummer 9 : HELGA ELSÄßER-STURM --- „EUROPA II“
Ein modernes Europa als Chimäre unterschiedlichster Identitäten präsentiert Helga Elsäßer-Sturm in ihrer Skulptur. Kopf des Misch- und Fabelwesens unterschiedlichster Identitäten ist das „rationale, präzise Deutschland“.
Startnummer 16 : MELANIE LOTOS GÖBL & THE PIRATE BAY ---
„UND DOCH KOMME ICH IMMER WIEDER ZURÜCK“
Die Verflechtungen unterschiedlicher Lebenswege, globalisierter Identitäten und dem biografischen Spiel aus Heimreise, Rückkehr, Wahlheimat und Aufbruch thematisiert Melanie Göbl in Zusammenarbeit mit dem schwedischen Künstlerkollektiv The Pirate Bay; Exponat soll ein zu Wohn- und Arbeitsstätte umfunktionierter Bus werden.
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