Grenzenlos stilecht
Kunst & Ausstellungen // Artikel vom 19.06.2009
Hier möchte man verweilen!
Doch leider hindert eine kleine Absperrschnur den Besucher im Badischen Landesmuseum daran, sich auf dem Korbsessel niederzulassen und den Blick über die üppigen Pflanzen hin zum wunderbarem Jugendstilglasfenster gleiten zu lassen. Aber nicht nur eine herrliche Veranda wurde für die exzellente Ausstellung „Jugendstil am Oberrhein“ nachgebaut, sondern auch ein Herrenzimmer, ein Salon, ein stilechtes Speisezimmer und alles, was die wohlbetuchten Bürger zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts eben so hatten.
Zuerst muss man bei dieser Sonderausstellung die gelungene Architektur loben! Die kleineren Parzellen mit Rundbogendurchgang sind je nach Region farbig gestrichen. Karlsruhe und Baden erstrahlen in hellem Gelb, Straßburg und Elsass funkeln in luftigem Blau und Basel lockt in warmem Rostrot. So verwundert es nicht, dass bereits am ersten Wochenende nach der Eröffnung die Besuchermassen (auch aus Frankreich) strömten.
Was gibt es zu sehen? Der Jugendstil, die große Reformbewegung der Moderne, steht im Mittelpunkt. Es geht um die Kunst Anfang 1900 in ihrem vielschichtigen Erscheinungsbild und ihren regionalen Ausprägungen im Dreiländereck Deutschland-Frankreich-Schweiz. Die Ausstellung zeichnet das Porträt einer Kulturlandschaft, in der Kunst, Politik, Geschichte und Wirtschaft eng miteinander verflochten sind. Präsentiert werden rund 700 Objekte vielfältiger künstlerischer Techniken: Malerei, Grafik, Metallkunst, Textil, Keramik, Farbglasfenster, zeitgenössische Fotos und Dokumente. Der Jugendstil beeinflusste nicht nur die Bildende Kunst, sondern ganz viele alltägliche Lebensbereiche.
Daher sind auch Plakate, Bücher, Gemälde, Skizzen, Schmuck und Möbel zu entdecken. Beeindruckend empfängt einen die große Armlehnbank des Architekten Hermann Billing, bei der er Malerei mit Möbel kombinierte. Farbige Holzplättchen verzierten die Stühle (so genannte Marketerie), bis in den Alltag drangen die geschwungenen, reichgefüllten Jugendstilornamente, wovon Manschetten, Haarspangen und Hüte Zeugnis ablegen. Ein allerliebster Miniaturkaufladen und wunderschöne Keramik lassen manch Besucherherz höher schlagen.
Auch das überholte Rollenverständnis kommt allenthalben zum Vorschein: „Langes Fädchen, faules Mädchen“, mit derlei Sprüchen spornte man das weibliche Geschlecht zum Nähen an. Wie immer wird auch für junge Besucher viel geboten, sie können z.B. an alten Pressen Drucke anfertigen oder Keramik bemalen, und auch innerhalb der Sonderausstellung werden Kinder immer wieder mit kleinen, auf entsprechender Höhe aufgehängten Fragekärtchen angesprochen. Hier können natürlich auch große Besucher mal spicken, die nicht wissen, was ein Kochtopf mit Kunst zu tun hat... -ub
www.landesmuseum.de
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