Johan Grimonprez. All Memory Is Theft
Kunst & Ausstellungen // Artikel vom 01.07.2025

Mit der Ausstellung „All Memory Is Theft“ präsentiert das ZKM eine dichte, klug kuratierte Retrospektive des belgischen Medienkünstlers Johan Grimonprez – eine Ausstellung, die weniger besucht als durchquert werden will.
Denn was Grimonprez über 35 Jahre hinweg geschaffen hat, ist kein klassisches Oeuvre, sondern ein raumgreifendes, intermediales Denklabor, das uns auffordert, nicht nur zuzuschauen, sondern mit- und vor allem: umzudenken. Schon der Titel ist programmatisch. Erinnerung, so wird hier suggeriert, ist nie neutral, nie frei – sondern immer auch ideologisch aufgeladen, umkämpft, instrumentalisiert. Grimonprez’ Werk begreift Erinnerung nicht als Rückblick, sondern als politischen Akt in der Gegenwart, als Möglichkeit, alternative Zukünfte zu denken. Seine Arbeiten – eine Mischung aus essayistischen Langfilmen, Kurzformaten, interaktiven Installationen, Archivfunden und Textcollagen – kreisen stets um die Frage: Wem gehört unsere Vorstellungskraft in einer Welt, in der die Wirklichkeit selbst zum spekulativen Produkt geworden ist?
Die Ausstellung macht dabei keine halben Sachen. Sie ist durchkomponiert wie ein filmischer Essay – mit sonnengelben und petrolblauen Wänden, auf denen treffend gewählte Zitate den thematischen Resonanzraum der Werke eröffnen. Alte Fernbedienungen, beiläufig inszeniert, erinnern an eine Ära, in der Zappen noch als Ausdruck von Medienkompetenz galt. Heute, so Grimonprez, sind wir längst Konsumenten einer Angstindustrie, die Paranoia zum Normalzustand erklärt.
„All Memory Is Theft“ ist keine einfache Ausstellung. Aber sie ist notwendig. In einer Zeit, in der Algorithmen unser Denken strukturieren und KI zunehmend unsere Vorstellungskraft kolonisiert, erinnert Grimonprez daran, dass Erzählungen nicht nur Deutungshoheit stiften – sondern auch Widerstand. Das ZKM hat mit dieser Retrospektive nicht nur einen der bedeutendsten Medienkünstler der Gegenwart gewürdigt, sondern auch eine Ausstellung geschaffen, die mehr ist als Kunst: Sie ist ein Denkraum für eine andere Zukunft. Zugleich aber auch eine Einladung, sich der eigenen medialen Prägung bewusst zu werden. Mit kritischer Schärfe, erzählerischer Tiefe und ästhetischem Gespür fordert Johan Grimonprez dazu auf, das Narrativ der Gegenwart neu zu verhandeln – klug, bewegend und höchst relevant. -sab
bis 8.2.26., ZKM, Karlsruhe
WEITERE KUNST & DESIGN-ARTIKEL
Offene Formate & Raumblicke
Kunst & Ausstellungen // Artikel vom 08.08.2025
Unter dem Titel „Offene Formate“ können zwischen 8.8. und 14.9. Künstler auch ohne BBK-Mitgliedschaft die Galerieräume des Künstlerhauses für Ausstellungen nutzen.
Weiterlesen … Offene Formate & RaumblickeFrisch gestrichen
Kunst & Ausstellungen // Artikel vom 03.08.2025
Das Zehnthaus Jockgrim entwickelt sich wieder zu einem Hotspot auch junger Kunst.
Weiterlesen … Frisch gestrichen26. Kamuna
Kunst & Ausstellungen // Artikel vom 02.08.2025
Unterm Motto „Wissen schafft Vielfalt“ öffnen während der „Karlsruher Museumsnacht“ 21 Kulturinstitutionen ihre Türen von 18 bis 24 Uhr.
Weiterlesen … 26. Kamuna90 Jahre – Unvergessen
Kunst & Ausstellungen // Artikel vom 01.08.2025
Margot Holzmann, später Waltz; geb. 22.9.1935, Forchheim; gest. 6.4.2001, Karlsruhe.
Weiterlesen … 90 Jahre – UnvergessenPoetic Frequencies
Kunst & Ausstellungen // Artikel vom 01.08.2025
Wie lässt sich Poesie verkörpern – jenseits von Sprache?
Weiterlesen … Poetic FrequenciesRe-imagining Connections
Kunst & Ausstellungen // Artikel vom 01.08.2025
Wie erinnern sich Landschaften?
Weiterlesen … Re-imagining ConnectionsLinolschnitt heute XIII
Kunst & Ausstellungen // Artikel vom 01.08.2025
Alle drei Jahre lobt die Stadt Bietigheim-Bissingen den Grafikpreis „Linolschnitt heute“ aus, nun bereits zum 13. Mal.
Weiterlesen … Linolschnitt heute XIII„Kunstportal Pfalz“ schließt
Kunst & Ausstellungen // Artikel vom 01.08.2025
Das Kunstportal Pfalz hat nach 24 Jahren im Dienste der pfälzischen Kunstschaffenden seine aktive Arbeit zum 30.6. eingestellt.
Weiterlesen … „Kunstportal Pfalz“ schließtDzikadiva & HfG goes Fruchthalle
Kunst & Ausstellungen // Artikel vom 01.08.2025
Mit „Dzikadiva“ (dt. „Die wilde Diva“) eröffnet die Künstlerin Karolina Sobel einen fiktiven Raum, eine imaginäre lesbische Bar, die zugleich als künstlerisches Archiv funktioniert.
Weiterlesen … Dzikadiva & HfG goes Fruchthalle
Kommentare
Einen Kommentar schreiben