Kkaarrlls-Design

Kunst & Ausstellungen // Artikel vom 07.08.2011

Das INKA-Interview mit Professor Volker Albus und Stefan Legner.

Man weiß es nicht sicher, ob es sich noch um ein Möbel oder schon um ein Kunstobjekt handelt, ob es zur Benutzung freigegeben ist oder ob es hauptsächlich zum Staunen anregen soll – fest steht aber: Es sind spannende „Perspektiven für den Hausrat von morgen“. So auch der Untertitel der Ausstellung im Museum beim Markt, die mit Kkaarrlls eine aus rund 45 Objekten bestehende Editionskollektion zeigt.

Das durchgängige Merkmal der Möbel, Lampen, Teppiche und Wohnaccessoires ist eine unvoreingenommene Sicht auf unsere Lebens- und Wohnumwelt. Kkaarrlls ist außerdem der Weg, den die Hochschule für Gestaltung (HfG) konsequent eingeschlagen hat, um den Studenten eine Möglichkeit zu bieten, sich der Öffentlichkeit zu präsentieren, Kontakte bereits während des Studiums zu knüpfen und den (Hochschul-)Standort Karlsruhe damit attraktiv zu machen.

Aus Anlass der Ausstellung „Kkaarrlls!“ im Museum am Markt sprachen Roger Waltz (RW) und Dr. Chris Gerbing (ChG) mit Prof. Volker Albus (VA), dem Prorektor der HfG und Leiter des Fachbereichs Produktdesign, und mit dem künstlerischen Assistenten Stefan Legner (SL).

RW: Die Themen Kunst und Design stehen bei uns seit vielen Jahren ganz oben auf der Agenda – oft mit dem Produktdesign der HfG und auch Kkaarrlls als Katalysator. Können Sie dennoch nochmals kurz umreißen, was für Sie Kkaarrlls ist?
VA: Kkaarrlls ist für mich eine ganz zentrale Aktivität, die Strahlwirkung hat. Es ist ein Label, eine Plattform, ein Forum, eine Brücke für die Studenten zwischen HfG und ihrem Berufsleben. Für Hochschulentwürfe gibt es eigentlich keinen Markt. Darauf haben einige andere Hochschulen in unseren Nachbarländern bereits reagiert und präsentieren Abschlussarbeiten auf Design-Messen. Insofern war unsere Entscheidung, uns alljährlich während der Mailänder Möbelmesse im Rahmen des Begleitprogramms „fuori salone“ einem internationalen Publikum zu präsentieren, ein entscheidender Schritt. Vorher waren wir dort zwar auf dem Salon Satellite vertreten, bei dem der Designernachwuchs präsentiert wird. Aber hier gehen die Jung-Designer in der Masse unter. Deshalb haben wir den Schritt gewagt, die Kkaarrlls-würdigen Studenten separat in einer, wie man so schön sagt, galerieähnlichen „Location“ unter diesem Label zu präsentieren. Wichtig ist uns dabei, dass die Entwürfe einen neuen, anderen Ansatz haben. Die Studenten sollen aus ihren Lebensgewohnheiten heraus entwerfen, wobei uns sehr wichtig ist, dass alle Arbeiten auch handwerklich sehr gut ausgeführt sind.

RW: Wie finanzieren Sie die Teilnahme an der Messe?
VA: Die Summe, die Sie für die Teilnahme an der wichtigsten internationalen Möbelmesse hinblättern müssen, ist in der Tat sehr stattlich. Davon entfällt für die Raummiete der größte Teil des Geldes, das sich aus Drittmittelförderungen, zum Beispiel einem Zuschuss des Fördervereins des ZKM oder des Karlsruher Stadtmarketings zusammensetzt. Die HfG übernimmt zusätzlich die Transportkosten, denn für uns war von Anfang an klar, dass den Studenten keine Kosten entstehen sollten, zumindest keine konkreten monetären Beiträge – wobei klar ist, dass die Teilnahme an dieser Messe nicht ganz umsonst ist. Aber immerhin stellen sie auf einer Messe aus, die im Kunstbereich mit der Biennale vergleichbar ist!
SL: Was das Phänomen „Mailänder Möbelmesse“ angeht, so müssen Sie sich das so vorstellen, dass damit eine Fülle von Ausstellungen und Veranstaltungen gemeint ist, die über eine Woche hinweg nicht nur auf dem Messegelände, sondern im Wesentlichen in Galerien und Showrooms über die ganze Stadt verteilt stattfinden. Man spricht daher mittlerweile auch von der (zeitgleich mit der Messe stattfindenden) „Milan Design Week“. Daher auch der Vergleich mit der Kunstbiennale. Kkaarrlls bezieht während dieser Zeit ebenso einen eingeführten Ausstellungsraum und ist nicht etwa mit einem Messestand auf dem Messeparkett vertreten. Es entstehen so auch keine Kosten für „Standmiete“, sondern für die Anmietung von Ausstellungsräumen.

RW: Die HfG und insbesondere der Fachbereich Produktdesign hat ja große Erfolge vorzuweisen. Inklusive einer Dauerpräsenz in nationalen wie internationalen Fachzeitschriften, auch die Design-Edition des SZ-Magazins ist mit Karlsruher Design geradezu gespickt. Aber es gibt auch reale Verkaufserfolge, zuletzt mit dem fahrenden Salzstreuer-Ei, das Markus Gläser entworfen hat und das sich dank guter Vertriebswege inzwischen deutlich fünfstellig verkauft hat. Vermitteln Sie in solchen Fällen mit „Pop“-Potenzial direkt an Unternehmen?
SL: Im Fall von Markus Gläsers Salzstreuer ist der Entwurf bereits innerhalb eines Semesterprojektes in Zusammenarbeit mit einem Industrieunternehmen entstanden, wie sie zum festen Bestandteil des Projektangebots am Fachbereich Produktdesign gehören. Im Gegensatz dazu behält bei dem Modell „Kkaarrlls“ der Designer zunächst seine Rechte am eigenen Entwurf. Vielmehr noch organisiert er zumeist auch Produktion und Kaufabwicklung seines Produkts selbst. Finden die Entwürfe dann Anklang bei (potenziellen) Käufern und der Presse, ist das natürlich ein Erfolg, der nicht zuletzt auf die Hochschule zurück fällt und der über den Namen „Kkaarrlls“ auch mit dem Standort Karlsruhe identifizierbar bleibt.

ChG: Wie gut ist Kkaarrlls denn innerhalb der HfG verankert und welchen Stellenwert hat das Label für Sie?
VA: Kkaarrlls ist nicht begrenzt auf Produktdesign, sondern rekrutiert sich aus allen an der HfG entstehenden Projekten. In den nächsten Jahren scheiden einige Lehrer aus, die sich an Kkaarrlls beteiligen. Denen wollen wir die Möglichkeit bieten, sich über Workshops weiterhin einzubringen, damit ihre Ideen für uns nicht verloren gehen. Design ist ja generell noch eine junge Disziplin, bei der die Hochschulen zur Weiterentwicklung aufgefordert sind. Meiner Meinung nach ist Design eine Schlüsseldisziplin, die sich sozusagen moderierend mit den gesellschaftlichen und technologischen Veränderungen auseinandersetzen muss. Design ist eben keine Verschönerungsdisziplin! Hier sehe ich für Kkaarrlls, aber auch für die HfG selbst eine wichtige Funktion. Und den sperrigen Namen haben wir natürlich absichtlich so gewählt, um den Bezug zur Stadt herzustellen und deutlich zu machen: Gutes Design aus Deutschland kommt nicht nur aus Berlin!

ChG: Sie sprechen damit den Standort Karlsruhe an. Es ist ja letztlich der HfG zu verdanken, dass das Thema Design in Karlsruhe so gut vertreten ist. Sehen Sie eine Chance, dass man dieses Thema zu einer „Stadtmarke“ machen kann?
VA: Die HfG ist eine relativ kleine Hochschule, insofern würde eine Weiterentwicklung, auch in die Stadt hinein, unsere Kapazitäten überfordern. Aber die Evaluation vor einigen Jahren hat der HfG Bestnoten beschert und wären wir an anderem Standort, in Hamburg oder Berlin beispielsweise, würden wir wahrscheinlich explodieren. Die Überschaubarkeit in Karlsruhe hat aber ganz entscheidende Vorteile, nicht zuletzt für die Studenten, die einen festen Rahmen und feste Bezugsgrößen bekommen. Wir haben, denke ich, nach einer Anfangsphase, in der wir skeptisch beäugt worden sind, ein gutes Standing und ein hohes Maß an Eigenständigkeit. Wichtig ist – und hier leisten wir mit Kkaarrlls bereits einen Beitrag –, dass das Design-Potenzial, das wir ausbilden, danach nicht komplett abwandert.

RW: Stichwort „Design-Stadt Karlsruhe“ und „Abwandern“: Die HfG-Absolventin und langjährige INKA-Design-Autorin Franziska Beyer ist nun als Textchefin zur traditionsreichen Form in Basel abgewandert. Umgekehrt nimmt die Stadt via 20.000-Euro-Stipendien an Jungdesigner und Künstler (damit diese weiterhin aus Karlsruhe agieren) oder über städtische Töchter wie die KMK (Messe Eunique) viel Geld in die Hand, um den Designstandort zu pushen. Auch erleben Kunsthandwerks-Schauen und Märkte, in denen die Grenzen zwischen Produktdesign, Angewandter Kunst oder auch klassischem Handwerk wie Maß-Klamotten oder Taschen verschwimmen, sehr großen Zulauf. Gleichzeitig steht nun ausgerechnet die Majolika Manufaktur zur Disposition, sprich kurz vor der Abwicklung. Wie sehen Sie die allgemeine Entwicklung in der „Design-Stadt“ und was kann man Ihrer Meinung nach tun, um die vielen positiven Ansätze noch präziser in der Stadt zu verankern – bzw. einer Traditionsmanufaktur eine Zukunft zu geben?
VA: Gut, ich kann hier nicht natürlich nicht zu Problemen der Majolika Stellung nehmen, die ich zu wenig kenne; gleichwohl halte ich es für angebracht, die Potenziale, die in der Stadt vorhanden sind, auch monetär zu unterstützen – um sie damit letztendlich in der Stadt zu halten. Zweifellos gibt es da schon einige Aktivitäten, aber sie müssen eben mit vereinten Kräften weiterentwickelt werden und mit angemessenen Mitteln unterstützt werden.

RW: Was haben Sie für die Zukunft geplant?
VA: In jedem Fall werden wir wieder nach Mailand fahren, wir werden eventuell an einer weiteren Messe teilnehmen, wir sind aber auch auf der Suche nach neuen Formaten. Denkbar sind sowohl die Zusammenarbeit mit anderen Hochschulen – eine Zusammenarbeit zum Beispiel mit der Hochschule Encsi aus Paris ist bereits relativ konkret –, aber auch Kkaarrlls-Lectures, Workshops und ähnliches. Das sind alles Optionen, die sich jetzt abzeichnen nach unserem Erfolg mit dem Label, die aber auch eine wichtige Perspektive für die Studenten bieten.

Design: Kkaarrlls! – Perspektiven für den Hausrat von morgen, 20.8.-8.1.12, Di-Do 11-17 Uhr, Fr-So, Fei 10-18 Uhr, Karl-Friedrich-Str. 6, Tel. 926 65 78, Museum beim Markt, Karlsruhe
www.landesmuseum.de

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