Markus Lüpertz - Kunst, die im Wege steht
Kunst & Ausstellungen // Artikel vom 28.04.2017
Es wurde ja aber auch Zeit!
Einer der herausragendsten Nachkriegskünstler, einer der bekanntesten und wichtigsten Intellektuellen, Bildhauer und Maler Deutschlands (geboren 1941) lebt seit Langem in Karlsruhe (und Berlin), und doch scheint ihn die Stadt gerade erst zu entdecken. Seit Mitte der 60er schafft Markus Lüpertz unermüdlich Kunstwerke, die international hoch gehandelt werden. Die Ausstellung am ZKM geht an die Anfänge zurück und entwickelt in Kooperation mit der Stiftung für Kunst und Kultur Bonn und dem MKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst Duisburg einen Rückblick auf fünf Jahrzehnte.
Es werden Druckstöcke, Reliefs, Malerei und Skulpturen gezeigt mit einer eigens für das ZKM geschaffenen lichthoffüllenden Präsentation. Der Ausstellungstitel „Kunst, die im Wege steht“ geht zurück auf eine erste Schau, die Lüpertz 1966 in der Galerie Großgörschen 35 in Berlin initiierte – eine der ersten Produzentengalerien in Berlin, gegründet von ihm und einer Künstlergruppe, u.a. mit Lambert Maria Wintersberger, Karl Horst Hödicke und Arnulf Spengler. Entgegen allen zeitgenössisch-abstrakten Trends begann Lüpertz, einfache Bildmotive zu malen wie Baumstämme oder Spargelfelder, die er durch formale Reduktion, extreme Nahsicht oder serielle Reihung verfremdete und sich somit bewusst zwischen Gegenstandsbezug und Abstraktion bewegte. „Dithyrambisch“ nennt er diese Bilder, was nach Dionysos so viel
bedeutet wie glückstrunken oder überschwänglich, und er meint damit eine Gestalt, die unentzifferbar bleibt.
Im Gegensatz dazu stehen seine stilllebenhaften Bildkompositionen mit Rüstungen, Helmen oder schweren Mänteln. Diese symbolgeladenen Gegenstände erregten Aufmerksamkeit in einem Nachkriegsdeutschland, das in der künstlerischen Aufarbeitung des Faschismus anderen europäischen Ländern durchaus hinterherhinkte. Die Formate sind meist monumental, die Farben dunkel gedeckt. In seiner Zeit als Di rektor der Karlsruher Kunstakademie (1974-1986) beginnt Lüpertz, kunstgeschichtliche Elemente frei zu paraphrasieren und orientiert sich dabei intensiv an Picasso oder Poussin. Klassische Themen der Antike kommen hinzu. Vor allem auch seine ausdruckstarken Bronzeskulpturen widmen sich der Darstellung antiker Figuren wie Aphrodite, Herkules, Athene und vielen mehr.
Die Energie und Vehemenz seiner Malerei und seines Duktus sind auch den Skulpturen eingeschrieben. Lüpertz deformiert, verletzt und bearbeitet das Material energisch. Damit eckt er auch an: Sein Mozart oder Beethoven sorgten zuletzt für große Aufregung der konservativen Öffentlichkeit, die sich durch den freien Umgang mit konventionellen Schönheitsidealen zugunsten von Ausdruck, Kraft und Intensität provoziert fühlte. Abgehackte Arme, schielende Augen, kurze Beine und große Nasen befreien die Figuren von der Pose, von etablierten Zuschreibungen und bitterem Ernst, ohne sie bloßzustellen oder ihnen ihre Erhabenheit zu entziehen. Im ZKM-Rahmenprogramm widmet sich ein vierstündiger Tanzworkshop (20.5.+22.7.) der Frage, wie aus Bildsprache Bewegungssprache wird. -hub
Eröffnung: Fr, 28.4., 20 Uhr, ZKM-Foyer, bis 20.8., ZKM, Lichthof 8+9, Karlsruhe
Nachricht 2063 von 6263
WEITERE KUNST & DESIGN-ARTIKEL
„Kunst findet Stadt“ 2024 feat. Erwin Wurm
Kunst & Ausstellungen // Artikel vom 20.07.2024
Anlässlich seines 70. Geburtstags im Juli feiert das Kunst im öffentlichen Raum frei zugänglich machende, 2021 gestartete Projekt eine der international renommiertesten Künstlerpersönlichkeiten der Gegenwart vor dem Kurhaus Baden-Baden mit einer konzentrierten Werkauswahl an Skulpturen.
Weiterlesen … „Kunst findet Stadt“ 2024 feat. Erwin WurmInternationaler Museumstag Pforzheim 2024
Kunst & Ausstellungen // Artikel vom 19.05.2024
Am So, 19.5. öffnen von 10 bis 17 Uhr die Museen in Pforzheim unter dem Motto „Museen mit Freude entdecken“ ihre Türen.
Weiterlesen … Internationaler Museumstag Pforzheim 2024Projekt 50/50 2024
Kunst & Ausstellungen // Artikel vom 17.05.2024
Seit Bestehen der Zettzwo Produzentengalerie findet alljährlich im Mai die Ausstellung „Projekt 50/50“ statt, bei der 50 Prozent des Erlöses ausgewählten Hilfsprojekten zugute kommt.
Weiterlesen … Projekt 50/50 2024Simon Herkner
Kunst & Ausstellungen // Artikel vom 17.05.2024
In seiner Einzelausstellung zeigt Simon Herkner (geb. 1986) vier seiner neuesten Wandobjekte, die er mit einer korrespondierenden Soundinstallation inszeniert.
Weiterlesen … Simon HerknerProvokation zur Courage: Kinder sehen die Welt
Kunst & Ausstellungen // Artikel vom 17.05.2024
Der Blick von Kindern auf das Weltgeschehen könnte öfters in Diskussionen einbezogen werden, die unsere Lebensrealität gestalten.
Weiterlesen … Provokation zur Courage: Kinder sehen die WeltAlte Bücher – Neue Inspiration
Kunst & Ausstellungen // Artikel vom 15.05.2024
Wie inspirieren Schrift, Tinte, Pergament und die Gestaltung der Reichenauer Handschriften die zeitgenössische Kunst?
Weiterlesen … Alte Bücher – Neue InspirationReiche Ernte
Kunst & Ausstellungen // Artikel vom 12.05.2024
Einmal mehr eine toll kuratierte Themenschau ist in Bietigheim-Bissingen zu erleben.
Weiterlesen … Reiche ErnteEverything You Do, It’s Been Done, Done, Done Before
Kunst & Ausstellungen // Artikel vom 12.05.2024
Internet – alles da, alles nichts, großer Raum, wo bin ich?
Weiterlesen … Everything You Do, It’s Been Done, Done, Done BeforeTop 0024 MeisterschülerInnen
Kunst & Ausstellungen // Artikel vom 11.05.2024
Traditionell ist die Ausstellung der Karlsruher MeisterschülerInnen außerhalb der gewohnten Räume der Kunstakademie verortet und geht auf Reise.
Weiterlesen … Top 0024 MeisterschülerInnen
Einen Kommentar schreiben
Kommentar von Werner Richter |
Das ist die erste gescheite und verständliche Beschreibung des Schaffens von Lüpertz.