Mit Corazón & Cojones: Der Skulpturenkünstler Pavel Miguel
Kunst & Ausstellungen // Artikel vom 08.04.2021
Vom Karibischen Meer an die Pfinz, Berghausen statt Kuba.
Dass er einmal in Baden seine zweite Heimat finden würde, hat Pavel Miguel Jiménez Alfonso – unter Freunden kurz Pablo genannt – dem Kajakfahren zu verdanken. Wie er vom erfolgreichen Profisportler zum angesehenen Künstler geworden ist, erzählt er aber allenfalls seinen Amigos bei einem Fläschchen Havana Club. Der offizielle Teil der schöpferischen Vita beginnt 1980 mit dem „Physical Culture“-Studium an der Hauptstadt-Universität des sozialistischen Inselstaats, wo Miguel 1962 in Cienfuegos geboren wird. Dort geht er an die Kunstakademie, wird ’95 Mitbegründer der ersten Vereinigung freier Künstler Kubas, der dem ästhetischen Widerstand verpflichteten Grupo Punto. In seinem Land ist er bereits ein preisgekrönter Skulpturenmacher, der an bedeutenden nationalen Ausstellungen teilgenommen hat, als ihm ’96 ein Stipendium des Karlsruher Kulturamts ermöglicht, als Gast in den Majolika-Ateliers zu arbeiten.
Drei Jahre und einige Deutschland-Visiten später kehrt er nicht mehr zurück, wird 2006 in Berghausen endgültig sesshaft. „Viel Licht, viel Schmerz“, antwortet Miguel auf sein Heimatland angesprochen, das er nach wie vor selbstbewusst im Herzen trägt und das immer wieder Ausdruck in seinem Werk findet – in Büsten Che Guevaras, aber auch sehr persönlich beim wurzelschlagenden Ruderboot „Adonde vayas, irás conmigo – Wohin du gehst, gehst du mit mir“, mit dem er 2005 auf der „Art Mar – Biennal de la Mediterrània“ im Museum Maritim festmacht. Sechs Jahre lebt und arbeitet Miguel in Barcelona. Oder um es mit seinem kopfüber in die Pfinz eintauchenden Schwimmer zu sagen: „Lo más elegantemente posible nos adentramos en nuestro destino – So elegant wie möglich springen wir in unser Schicksal“.
Ebenso stolz ist Miguel darauf, dass er in seinem Berghausener Atelier bis auf das Gießen alles alleine stemmt: knoten, schweißen und sägen, wenn es sein muss mit schwerem Motorsägengerät. Seinen Werkstoff bekommt er vielfach von der Gemeinde gestellt, „die mich super unterstützt“. Rilke, Kafka, Nietzsche, Schopenhauer und Hesse zählen zum Fundament seiner Kunst, die auch Malerei umfasst, wobei Miguel am liebsten figurativ arbeitet – ob mit Holz, Stein oder Metall wie beim einkaufswagenschiebenden Eisen-Sisyphos, von dessen fünf Meter hohem und 500 Kilo schwerem Original der INKA Verlag eine Miniaturausgabe neben der Jubiläums-Schreibmaschinenskulptur „El zócalo de la cultura – Der Sockel der Kultur“ zur 150. Ausgabe im Schaufenster präsentiert.
2019 ist dann ein besonders Jahr für den Pfinztal-Cubano: Mit seiner hängemattenartigen Wasserinstallation „No te duermas en los laureles – Ruhe dich nicht auf deinen Lorbeeren aus“, die sieben bis zu 20 Meter lange Teile umfasst, ist Miguel auf der 13. „Havanna-Biennale“ vertreten. Oft bedient er sich der Natur, um sie mit den existenziellen, ideologischen und politischen Auswüchsen, Trieben und Perversionen der Gegenwart wie Konsum, Krieg oder Unfreiheit zu konfrontieren – etwa in Gestalt der gefesselten Pelikane „Tenían las alas demasiado grandes – Sie hatten zu große Flügel“ oder der „Sage mir, was du isst, und ich sage dir, wer du bist“-Gamba. Es geht aber auch vergleichsweise plakativ wie beim Keramik-Pümpelpanzer „La guerra de mierda – Scheißkrieg“. Die urwüchsigen Plastiken lassen Einflüsse aus dem europäischen Expressionismus und des lateinamerikanischen Sozialrealismus ebenso erkennen wie Hauptströmungen zeitgenössischer Kunst nach 1945, wobei ihm bei aller Härte und Rohheit des bevorzugten Werkmaterials Metall nichts Menschliches fremd ist: Zu gerne zeigt er auch ganz provokativ sprichwörtlich Cojones, wie man beim Gang durch seinen Skulpturengarten gegenüber dem Atelier und dem Pandemiewerk „Fuck Coronavirus“ sehen kann. Und wenngleich es in seiner Kunst nicht unbedingt zum Ausdruck kommt, zeigt Pavel Miguel doch eines am allerliebsten: ganz viel Corazón! -pat
Georgstr. 17, Pfinztal, Tel.: 0721/453 96 88
www.pavelmiguel.de
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