Sigmar Polkes „Dualismen“: In der bunten Grauzone
Kunst & Ausstellungen // Artikel vom 10.04.2022
Sigmar Polke prägte die Kunst mit nimmer versiegender Experimentierfreude und stetiger Neuerfindung.
Sein Werk geht einher mit Gesellschaftskritik, aber auch mit Witz und (Selbst-)Ironie. Die Ausstellung in der Städtischen Galerie fokussiert sich mit über 100 Werken aus allen Schaffensphasen von 1963 bis 2009 auf die Momente der Zweiheit bei Polke. „Ich bin froh, dass ich nicht nur schwarz und weiß sehe, sondern beides zugleich“, sagte der junge Sigmar Polke 1966. In der Grauzone fand der Künstler aus dem Rheinland die bunte Realität. Vorlagen für Arbeiten „Berliner (Bäckerblume)“ fand er in Zeitschriften und Zeitungen. Er zoomte in die Ausschnitte hinein, bis die einzelnen Rasterpunkte sichtbar wurden und malte oder stempelte sie nach. Das ursprüngliche Bild löst sich in einem Sternennebel aus schwarzen und weißen Punkten und Flächen auf, wird überdeutlich und verschwimmt zugleich. Oft griff Polke Motive aus der Alltagskultur auf – zuckersüße Berliner etwa – und begründete damit den „Kapitalistischen Realismus“.
Trivial- und Popkultur zitierte Sigmar Polke ebenso wie die europäische Kunstgeschichte. Sein „Dürer Hase“ (1968) ist Hommage und Remix zugleich. Die große Polke-Ausstellung in der Städtischen Galerie präsentiert den 2010 gestorbenen Künstler unter der Prämisse seiner „Dualismen“. Scheinbare Gegensätze wie schwarz und weiß, Pop und Kunst lösen sich bei ihm nicht zu einem undurchsichtigen Brei auf, sondern ergänzen sich, verschärfen ihre Kontur und knüpfen neue Verbindungslinien. Eins plus eins ergibt bei Polke weder zwei noch eins, er löste die Gleichung 1967 auf seine Weise: drei. Wo andere KünstlerInnen seiner Zeit für einen spezifischen Stil stehen, widerstrebte es Sigmar Polke, sich auf ein Genre, eine Methode oder eine bestimmte künstlerische Agenda festzulegen. Er experimentierte früh mit Fotografie und Video, mit Malerei und Zeichnung und trug 1989 sogar zum Kunstkanal von RTL plus bei, was ein vierminütiges Video in der Ausstellung belegt.
An die Antike und Renaissance erinnernde Exaktheit in der Konstruktion von Bildern steht bei Polke unmittelbar neben freien Experimenten mit Technologie und Material. Im Vorbeigehen erfand er das Genre der Fotokopierkunst, indem er ein und dieselbe Vorlage improvisatorisch über eine Kopiererscheibe zerrte. Ganz dem Zufall überlassen sind seine alchimistischen Versuche mit radioaktivem Material, mit dem er Fotonegative in Kontakt treten ließ. Reisen wie 1974 nach Pakistan dokumentierte er zunächst fotografisch, um die Schwarz-Weiß-Bilder dann bunt zu bemalen und dem Realismus eine surreale Dimension hinzuzufügen, gespeist von Erfahrungen mit psychoaktiven Substanzen. Eine Weltsicht jenseits von schwarz und weiß würde vielen Diskussionen, online wie offline, heute guttun. Sigmar Polkes Dualismen dürfen uns ein spielerisches Lehrstück dafür sein. -fd
bis 12.6., Städtische Galerie, Karlsruhe
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