The Story That Has Just Begun. Die NFT-Sammlung des ZKM & Unfamiliar Ceilings
Kunst & Ausstellungen // Artikel vom 03.11.2025
Katzen waren schon lange vor den NFTs die wahren Herrscher des Internets.
Als 2017 aber plötzlich pixelige Kätzchen auf der Ethereum-Blockchain auftauchten – Crypto Kitties, bunt, kombinierbar, virtuell züchtbar – schien der digitale Katzenkult eine neue Evolutionsstufe erreicht zu haben. Doch hinter der spielerischen Oberfläche dieses Blockchain-Zoos verbirgt sich ein ernsthafter Paradigmenwechsel: der Versuch, das Unfassbare, nämlich das Digitale, mit einem Begriff von Besitz zu versehen. Diese doppelte Bewegung, zwischen Leichtigkeit und Konzept, Spiel und Ökonomie, ist der perfekte Auftakt für die Ausstellung „The Story That Has Just Begun. Die NFT-Sammlung des ZKM“, die derzeit im lichtdurchfluteten Foyer der EnBW zu sehen ist. Das ZKM widmet sich hier der noch jungen Geschichte der Kryptokunst – einer Kunstform, die ihre Echtheit nicht in Bronze oder Leinwand, sondern im dezentralen Protokoll der Blockchain findet. Die Ausstellung spannt den Bogen von den frühen Arbeiten bis hin zu jüngeren Werken, die mit Time-Lock-Protokollen experimentieren – digitalen Mechanismen, die Sichtbarkeit und Besitz zeitlich codieren. Das kuratorische Konzept überzeugt durch eine subtile Balance zwischen Technikgeschichte und ästhetischer Reflexion. Wandtexte erläutern die Grundlagen der Blockchain, ohne in Techdidaktik zu verfallen; interaktive Elemente öffnen den Zugang für ein breiteres Publikum. So wird anschaulich, wie algorithmische Verfahren künstlerische Kreativität nicht ersetzen, sondern erweitern. Besonders passend in diesem Zusammenhang ist Kevin Aboschs „You Cannot Possess Me“: ein Digitaldruck, der mit ironischer Eleganz die ontologische Frage des Besitzes im Zeitalter der immateriellen Kunst aufwirft. Abosch führt das Verhältnis zwischen Kunstsammlern und Werk ad absurdum. Und entlarvt die Illusion von Kontrolle über das Digitale. Dass die Ausstellung in Kooperation mit der EnBW Karlsruhe realisiert wurde, ist mehr als ein Sponsoringzusatz. Im nüchternen Eingangsbereich des Energieunternehmens, zwischen Glasfassaden und Büroflair, wirken die leuchtenden Digitaldrucke und animierten Bildschirme wie ästhetische Interventionen. Wo sonst Strom- und Datenströme zirkulieren, fließt hier künstlerische Energie. Ein kluger Kommentar zur Idee der „Dezentralität“, die Blockchain und Stromnetz auf unerwartete Weise verbindet.
Am anderen Ende der Stadt, im ZKM selbst, entfaltet sich eine gänzlich andere, aber nicht minder dringliche Erzählung: „Amna Elamin. Unfamiliar Ceilings“. Während die NFT-Ausstellung von Entmaterialisierung und digitaler Verortung handelt, richtet Elamin den Blick auf das Gegenteil: den Verlust von Ort, Dach, Vertrautheit. Die sudanesische Künstlerin und Forscherin, derzeit Stipendiatin am ZKM, erzählt in installativen Arbeiten von Flucht, Entwurzelung und der inneren Geografie des Exils. Ihr zentrales Werk, das Video „Routes Of Displacement“, versammelt Stimmen, die Namen sprechen: Viertel, Städte, Länder. Doch diese Namen sind keine Kartografie, sondern Spuren von Leben – fragile Topografien des Verlusts. Elamin gelingt das Kunststück, eine zutiefst politische Realität, nämlich den fortdauernden Bürgerkrieg im Sudan, in eine poetische Bildsprache zu übersetzen. Zwischen den gesprochenen Stimmen öffnen sich Momente des Innehaltens: Leerräume, Pausen, Stille. Der Betrachter wird hineingezogen in eine Welt, in der die Decke über dem Kopf zum Symbol für Sicherheit, aber auch für Fremdheit wird. Die ergänzenden Fotografien und eine textile Wandarbeit wirken wie visuelle Fußnoten zu dieser Erfahrung des Dazwischen. Nichts ist abgeschlossen, nichts endgültig. Elamins Werk fragt nicht nach Ankunft, sondern nach der Möglichkeit, in der Fremde weiterzuleben. Die begleitende Broschüre schließt mit den Worten: „Ich weiß nicht, wie viele neue Decken ich noch sehen werde. Aber fürs Erste bin ich hier. Und wegen des Krieges habe ich akzeptiert, dass überall wo ich hingehe, mir alles fremd vorkommen wird.“ – drei Sätze, die nachhallen, lange nachdem man den Ausstellungsraum verlassen hat. -sab
Die NFT-Sammlung des ZKM: bis 1.2., EnBW-Konzernzentrale; Unfamiliar Ceilings: bis 8.2., ZKM, Karlsruhe
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