Wiedergeburt im Wissensfeld
Kunst & Ausstellungen // Artikel vom 01.05.2023
Die Co-Kuratorin Anett Holzheid über Peter Weibels letzte ZKM-Ausstellung.
INKA (Friedemann Dupelius): Wie ist ihr Blickwinkel auf die neue, postulierte dritte Renaissance, in der die Künste und die Wissenschaften neue Liaisonen miteinander eingehen?
Anett Holzheid: Mir gefällt, dass Sie diese Verbindung als „Liebesverhältnis“ bezeichnen. In unserem Titel heißt es ja „Allianzen“ – also ein zunächst nüchternes Einverständnis zu einer Kooperation mit gemeinsamer Zielstellung. In der transdisziplinären Verbindung von Medienkunst und Wissenschaft, in der es um gemeinsamen Erkenntnisgewinn mit Horizonterweiterungen für das 21. Jh. gehen soll, sind aber eben eine libidinöse Begeisterung für die eigene Disziplin und eine „operative Zuneigung“ zu der des Partners unabdingbar. Ich habe mich viel mit solchen Kooperationsbedingungen als Basis für die Entstehung von Kunstwerken beschäftigt.
INKA: Zu welcher Arbeit der Ausstellung haben Sie eine besondere Beziehung?
Holzheid: Mich packen stets aufs Neue die von den KünstlerInnen eigens für die Ausstellung konzipierten Installationen. Die Australierin Helen Pynor etwa hat für das Panorama-Lab des ZKM die Erkenntnisse audiovisuell umgesetzt, die sie aus einer gemeinsam mit einem Genomwissenschaftler erarbeiteten Analyse des menschlichen Atems gewonnen hat. Auch die als Sci-Fi-Erzählung angelegte Prozessinstallation des österreichischen Künstlers Thomas Feuerstein fällt mir ein. In dieser werden Skulpturen aus einem Biopolymer mittels Algen, Bakterien und 3D-Drucker erzeugt und zugleich von Bakterien wieder metabolisch abgebaut. Auch die techno-wissenschaftlichen Experiment-Explorationen zu ökologisch verträglicher Energiegewinnung möchte ich nennen.
INKA: Wie hat sich durch die Beteiligung dreier weiterer kuratorischer Köpfe die ursprüngliche Idee von Peter Weibel erweitert?
Holzheid: Peter Weibel hatte die Vision vom „Wissensfeld“. Das Publikum würde in einer Rauminstallation Begriffe und Erläuterungen erkunden und sich dabei eine Informationsbasis zu Technologie, Medienkunst und Wissenschaft erarbeiten, um die Kunstwerke besser zu verstehen. Bei der Konkretisierung dieser Vision erlebte das Team aus jüngeren und älteren Kollegen eine Blickfelderweiterung. Die schlägt sich in der Themenfokussierung und Werkauswahl der Ausstellung nieder. Für eine lebendige Gesellschaft benötigen wir eine Infrastruktur aus Informationskanälen und Speichermedien, die eine „Wiedergeburt“ vergessener kultureller Bestände ermöglicht, ebenso wie die offene Begegnung mit Menschen aus unterschiedlichen Disziplinen. Daher ist die Ausstellung als offenes Netz ohne Anfang und Ende angelegt, in dem alle Altersgruppen einander auf ihren Erkundungspfaden begegnen.
INKA: Wie war die Zusammenarbeit mit Peter Weibel in den letzten Wochen vor seinem Tod, der ja fast mit der Eröffnung zusammenfiel?
Holzheid: Wir spürten, dass uns die mit Peter Weibel verbleibende Zeit rasant davonlief. Der Januskopf-Charakter der Ausstellung, bei der Eröffnung zugleich Abschied bedeutete, war für ihn, der Zahlreiches parallel zum Abschluss bringen wollte, nicht weniger emotional als für uns. In der täglichen Arbeit bedeutete dies ein starkes wechselseitiges Vertrauen.
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