ZKM-Rezensionen: Phyto Travellers & Assembling Grounds
Kunst & Ausstellungen // Artikel vom 31.07.2025

Wurzeln schlagen in der Zukunft.
Mit „Phyto Travellers“ von Eva-Maria Lopez und „Assembling Grounds“, einem Kapitel der Reihe „Fellow Travellers“, präsentiert das ZKM zwei Ausstellungen, die sich mit Migration, Ökologie und kulturellem Wandel auseinandersetzen. Beide zeigen exemplarisch, wie zeitgenössische Kunst als Werkzeug gesellschaftlicher Reflexion und Transformation wirken kann – jenseits linearer Narrative. Lopez’ Installation im gläsernen Kubus vor dem ZKM erinnert an ein Gewächshaus – doch sie ist vielmehr ein lebendiges Archiv.
von Sabine Adler
In schwarzen Töpfen versammeln sich Pflanzen, die durch Kolonialismus und Handel ihren Weg nach Europa fanden: Kirschlorbeer, Bambus, Rhododendron. Auf Paletten gruppiert in der Silhouette der „Niña“, eines Schiffs aus Kolumbus’ Flotte, thematisiert die Arbeit die symbolische Gewalt kolonialer Aneignung. Indigene Namen wie „Cha“ oder „Tsubaki“ erscheinen an der Glasfassade als Gegenerzählung zur europäischen Umbenennung. Lopez gelingt eine stille, präzise Reflexion über botanische Migration und ihre kolonialen Implikationen – visuell reduziert, doch inhaltlich vielschichtig.
Im Inneren des ZKMs entfaltet sich mit „Assembling Grounds“ ein vielgestaltiges Feld künstlerischer Praktiken, die auf lokalem Wissen und ökologischer Verantwortung beruhen. Entstanden im Anschluss an die Reiseausstellung „Critical Zones“, bringt das Projekt Stimmen aus Indien und Sri Lanka in Dialog mit globalen Krisen. Die Arbeiten setzen sich mit marginalisierten Wissensformen auseinander: Parag und Kadambari Tandel dokumentieren bedrohte Fischereitraditionen Mumbais. Eine Klangskulptur von Ishita Chakraborty verwebt Geräusche aus der Natur und Stimmen von Menschen aus den indischen Sundarbans mit dem brasilianischen Amazonas. Textilarbeiten von Hema Shironi erzählen vom postkolonialen Sri Lanka, während Anuja Dasgupta sich auf Pflanzenwissen Ladakhs konzentriert. So veranschaulichen viele unterschiedliche Medien, dass Wissen nicht nur in Bibliotheken, sondern in Gemeinschaften, Ritualen und Materialien gespeichert ist.
Auch das Ausstellungsdesign betont Offenheit: Fragestellungen innerhalb der Objekttexte laden zur Partizipation ein. Die Ausstellung versteht sich nicht als fertiger Zustand, sondern als Prozess. Künstlerresidenzen, Gespräche und Interventionen im Stadtraum erweitern sie in Richtung sozialer Praxis. Was beide Projekte verbindet, ist der Versuch, überkommene Vorstellungen von Fortschritt und kultureller Dominanz zu hinterfragen. Beide Ausstellungen eint ein Perspektivwechsel: Weg vom Objekt, hin zur Beziehung – zwischen Menschen, Pflanzen, Geschichten. Lopez zeigt die koloniale Prägung vermeintlich vertrauter Landschaften, „Assembling Grounds“ entwirft neue Allianzen zwischen Kunst, Wissenschaft und lokalen Gemeinschaften. So wird das ZKM nicht nur zum Ausstellungsort, sondern zu einem Labor für nachhaltige Koexistenz. Ein starkes Plädoyer für Kunst als Werkzeug des Wandels!
„Phyto Travellers“ bis 26.10., „Assembling Grounds“ bis 31.5.26, ZKM, Karlsruhe
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