ZKM-Rezensionen: The Story That Never Ends & Waldemar Codeiro
Kunst & Ausstellungen // Artikel vom 01.05.2025

Bereits beim Betreten des Lichthofs der Ausstellung „The Story That Never Ends“ wird klar, dass man hier nicht einfach durch Räume wandelt, sondern vielmehr durch eine lebendige Topografie medialer Ausdrucksformen.
Leichte, sich drehende rote Kleider tanzen durch die Luft, während ein autonom fahrender Rollstuhl zwischen den Besuchern seine Kreise zieht. Die Ausstellung spannt einen eindrucksvollen Bogen von den Anfängen der Medienkunst in den 50er Jahren bis hin zu aktuellen Arbeiten mit KI. Dabei gelingt es ihr, keine lineare Erzählung zu verfolgen, sondern durch thematische Schwerpunkte immer wieder überraschende Verknüpfungen aufzuzeigen. Unterstützt wird dieses Erleben durch eine durchdachte räumliche Gestaltung, die nicht nur ästhetisch überzeugt, sondern auch atmosphärisch trägt. In den Videoräumen verweilt man gerne – nicht zuletzt, weil jeder Raum mit einer neuen technischen Raffinesse oder künstlerischen Handschrift überrascht. Interaktive Elemente regen zum spielerischen Erforschen an, während erläuternde Texte Klarheit schaffen. Besonders eindrucksvoll ist auch, dass die Ausstellung nicht nur die ästhetischen Qualitäten der Medienkunst thematisiert, sondern auch deren inhärente Fragilität – und damit die konservatorischen Herausforderungen, die mit dieser Kunstform einhergehen.
Im Kontrast zur vibrierenden Vielstimmigkeit dieser Schau steht die Ausstellung „Waldemar Cordeiro: Konstellationen“, die durch ihre ruhige und fast intime Atmosphäre besticht. In der Retrospektive seines Werks wird Cordeiros Schaffen in vier Phasen gegliedert. Diese Einteilung ermöglicht nicht nur eine klare Strukturierung seines Œuvres, sondern zeigt auch die beeindruckende Wandlungsfähigkeit eines Künstlers, der es verstanden hat, rationale Strenge mit poetischer Freiheit zu verbinden. Besonders spannend ist dabei die Phase der „Geometria Intuitiva“, in der Cordeiro die Strenge der geometrischen Form mit dem Zufall versöhnt – ein Spannungsfeld, das sich in seinen Werken visuell nachvollziehen lässt. In der Phase „Arteônica“ schließlich wird sein Pioniergeist besonders deutlich: Bereits in den 60er und 70er Jahren experimentierte Cordeiro mit der Verbindung von Kunst und Elektronik – eine Praxis, die ihn retrospektiv zu einem Wegbereiter der digitalen Kunst macht. Ergänzt wird die Präsentation durch persönliche Dokumente wie Briefe und Fotografien, die eine tiefere Einbettung in Cordeiros Leben und Denken ermöglichen und den Blick über das Werk hinaus auf den Menschen dahinter lenken.
„The Story That Never Ends“ und „Waldemar Cordeiro: Konstellationen“ lassen sich nicht nur als visuelle Erlebnisse, sondern auch als erkenntnisreiche Reisen durch Zeit, Technik und ästhetisches Denken begreifen. Während die eine sich weit ausholend mit der facettenreichen Geschichte der Medienkunst beschäftigt, fokussiert sich die andere in kontemplativer Ruhe auf das ebenso vielschichtige wie visionäre Werk eines einzelnen Pioniers – gemeinsam eröffnen sie einen faszinierenden Dialog zwischen kollektiver Innovation und individueller Radikalität. Zusammengenommen bieten diese beiden Ausstellungen nicht nur ein Panorama medienkünstlerischer Entwicklung, sondern auch eine Reflexion über die Möglichkeiten, Grenzen und Visionen einer Kunst, die sich stets an der Schnittstelle von Technologie, Ästhetik und Gesellschaft bewegt. „The Story That Never Ends“ entfaltet sich als vielschichtiger Diskursraum voller Dynamik und Innovation, während „Waldemar Cordeiro: Konstellationen“ mit konzentrierter Tiefe und biografischer Nähe die Grundlagen und Potenziale digitaler Kunstentwicklung sichtbar macht. Beide Ausstellungen ergänzen sich auf wunderbare Weise – und führen vor Augen, dass die Geschichte der Medienkunst tatsächlich eine ist, die niemals endet. -sab
„The Story That Never Ends“ bis 20.9., „Waldemar Codeiro“ bis 6.7., ZKM, Karlsruhe
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