Analivia Cordeiro – From Body To Code
Kunst & Ausstellungen // Artikel vom 01.03.2023
Heute kaum noch wegzudenken, war der Einfluss des Computers auf die Künste in den 70er Jahren keine Selbstverständlichkeit.
Noch neu und nicht überall verfügbar, wirkte es fast absurd, statt Pinsel und Pigment, Stein oder Keramik, ein ‚Rechenwerkzeug‘ zu nutzen, um Kunst zu machen. Historisch unberührt, entwickelte sich das zeitbasierte Medium rund um Performance, Video und Film zu einem künstlerischen und politischen Werkzeug, dass insbesondere Künstlerinnen einen Freiraum gab – fern der männlich dominierten klassischen Kunst. Die Programmreihe „Female Perspectives“ des ZKM widmet sich diesen Pionierinnen der Medienkunst. In der aktuellen Ausstellung „From Body To Code“ wird das Werk von Analivia Cordeiro gezeigt. Gemäß ihrer interdisziplinären Haltung besteht die Ausstellung nicht nur aus Flimmerbildern und Video, sondern diese sind eingebettet in Zeichnungen, Fotografien, Dokumentationen und interaktive Installationen – immer vom Körper und der Bewegung ausgehend.
Als Tänzerin, Choreografin und Architektin entwickelte Cordeiro 1973 das erste Videokunstwerk Südamerikas „M3x3“, das in großem Format den Eingang der Ausstellung einnimmt. Unter dem monotonen Ticken eines Metronoms, ganz in Schwarz-Weiß, verschmelzen die Tänzerinnen mit ihrer Umgebung und miteinander. Durch die hohe Kontrasteinstellung der Kamera und die fast grafischen Kostüme, bis hin zur Einfärbung des Gesichtes, ist nicht daran zu denken, sich eine klassische Bühne vorzustellen. Der sichtbare Bildausschnitt springt hin und her und generiert immer neue Perspektiven. Die Bewegungen, mal schnell oder langsam ausgeführt, wiederholen sich, variieren, sind mal abgehackt oder fließend. Die Arbeit „M3x3“ ist die erste Tanzchoreografie, die spezifisch für eine Videoaufnahme konzipiert wurde und dabei die Neuen Medien nicht nur als Mittel zum Zweck nutzt. Cordeiros besonderes Interesse ist es, die Möglichkeiten einer künstlerischen Mitarbeit der Algorithmen auszuloten. So sind die choreografischen Instruktionen für die Tänzerinnen, die Produktionsleute am Set und selbst die Blickwinkel der Kameras maßgeblich durch einen computerbasierten Prozess beeinflusst – und haben Einfluss aufeinander.
Von Anfang an galt es, sich die Codes und Algorithmen anzueignen, sie nutzbar zu machen, anstatt sich zu unterwerfen. Denn entgegen der romantischen Vorstellung eines völlig intuitiven, unbewussten Schaffensprozesses, bedarf es einer großen Vorsortierung der künstlerischen Ideen und Mittel – was hier im Tanz erstmalig mithilfe von null und eins passiert ist. Neben der präzisen Computernotation für die Bewegungen sind die Tänzerinnen in ihrer Entscheidung über Muskelkraft und Geschwindigkeit frei. Dies lässt ein großes Maß an Individualität zu, denn um Kontrolle oder ein striktes Nachtanzen geht es Cordeiro nicht. Genau dieses bewusste Hin- und Herpendeln zwischen Instruktion und Freiraum ist vielleicht das charakteristische Moment des künstlerischen Handelns. Wo zu Beginn eine große Euphorie der technologischen Möglichkeiten vorherrschte, bewegt die Künstlerin vermehrt Fragen nach der Abhängigkeit, in die sich gesamte Gesellschaft hineinbegeben hat. Was bleibt, wenn jemand den Stecker zieht? Alle Flimmerbilder verschwinden, was bleibt, ist nur unser Körper. Wenn unsere Hilfsmittelchen wegfallen, selbst Pinsel, drückt sich die Farbe nur durch die bloße Haut aufs Papier, wie in der Arbeit „Dancing On The Paper“ (ab 2017). -sb
bis 7.5., ZKM, Karlsruhe
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