Durch Adlers Augen – Eindrücke aus der Kunstlandschaft (August & September 2023)
Kunst & Ausstellungen // Artikel vom 02.08.2023

Ein Sommer der Retrospektiven
Eine Kolumne von Sabine Adler. Die freiberufliche Kunsthistorikerin arbeitet beim BBK und ist als Moderatorin und Kunstakteurin im Südwesten und in ihrer Heimat, der Pfalz, aktiv.
„10.000 Jahre habe ich geschlafen / und nun bin ich erwacht. Meine schweren Augenlider sind die Wälder. Sie verbeugen sich. Mein Herz, die Wolke ist überrascht, / denn ich werde gerufen“ steht an der Wand im Obergeschoss des ZKM geschrieben. Auf dem Boden davor ein runder Teppich aus Moos, rings um ihn herum eine dicke Salzschicht. Im Zentrum der beiden Kreise ruht ein Bogen – allesamt Überbleibsel einer Performance von Ulrike Rosenbach aus dem Jahr 1977. Im Rahmen der Vorführung lag die Künstlerin drei Stunden wie ein Pfeil eingespannt auf der grünen Moosunterlage, ehe sie sich erhob und den ersten Satz aus dem eben zitierten Gedicht in das Salz schrieb. Die Verbindung von Menschen und Natur, die neben Fragen nach der weiblichen Identität und Rollenzuschreibungen zu Rosenbachs Kernthemen zählt, wird nicht nur in diesem, sondern auch in vielen weiteren der mehr als 120 ausgestellten Arbeiten unmittelbar deutlich.
Im Fokus der Werkschau stehen ihre Videoarbeiten, schließlich wird ein mehr als 600 Bänder umfassendes Videoarchiv seit gut fünf Jahren am ZKM digitalisiert und aufgearbeitet. Anlässlich des 80. Geburtstages der Künstlerin präsentiert die Überblicksausstellung Arbeiten seit 1969 aus allen verschiedenen Schaffensphasen. Viele der Videoinstallationen laden zum Verweilen ein, zeigen Ausschnitte aus Performances, die durch Requisiten ergänzt wurden und spielen kreativ und vor allem abwechslungsreich mit Rollenbildern und Klischees.
Das ZKM ist nicht die einzige Kunstinstitution, welche die Sommermonate dazu nutzt, nicht nur die jüngsten Arbeiten einer Künstlerin zu zeigen, sondern auch einen Kontext zu weiter zurückliegenden Werken herzustellen und sie neu zu bewerten. Doch während man sich in Karlsruhe auf Videoarbeiten konzentriert, widmet man sich in Tübingen einem Medium, das in der Vergangenheit immer wieder als tot erklärt wurde – nämlich der Malerei. Dort zeigt die Kunsthalle ebenfalls eine umfangreiche Einzelausstellung von einem der bedeutendsten Maler seiner Generation: Daniel Richter.
Und auch hier ist der Rundgang so angelegt, dass man als BesucherIn das künstlerische Werk in Hinblick auf dessen Weiterentwicklung und Veränderung wunderbar nachvollziehen kann – von Entwürfen für Plattencover bis hin zum abstrakten Motivrepertoire aus Richters letztem Schaffenszyklus ist alles vertreten. Besonders gelungen auch die Gegenüberstellung und das Gleichgewicht aus kleinen, intimeren und auch vermeintlich untypischeren Bildern neben den großen, bekannten Gesellschaftspanoramen. Ein Blick in die Vergangenheit ist also gar nicht so übel, auch wenn die Tradition meist nur dann taugt, wenn man auch in die Zukunft blickt.
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