120. Jubiläum: Die Majolika will den Neustart
Kunst & Ausstellungen // Artikel vom 16.10.2021
„Es ist eine schwierige Aufgabe, den Berg zu erklimmen“, sagt Klaus Gutowski, der vor knapp einem Jahr die Geschäftsführung der Staatlichen Majolika Manufaktur Karlsruhe übernommen hat.
Die Majolika ist in den vergangenen Jahren vor allem mit Krisen und Existenzsorgen aufgefallen. Zwischen 2013 und 2020 musste die Stadt Karlsruhe den Betrieb der Keramikmanufaktur mit fast 2,1 Millionen Euro bezuschussen. Allein im Krisenjahr 2017 waren über eine halbe Million Euro städtischer Zuschuss nötig, um das Überleben der Majolika zu sichern. Mit Künstler-, Bildungs- und Ausstellungsprogrammen will Gutowski die seit Ende 2020 gemeinnützige „Majolika wieder zum Zentrum der Keramik in Deutschland entwickeln“.
Im Associate-Programm seien derzeit fast ein Dutzend KünstlerInnen in den Keramik-Räumen der Majolika aktiv. Im Gegenzug für den einjährigen Atelierplatz verpflichteten sie sich, einmal pro Woche bei der Produktion zu helfen, beschreibt Gutowski das kostenlose Programm. „Wir profitieren von deren Fähigkeiten. Die Zusammenarbeit mit Künstlern bringt die Majolika wieder in die zeitgenössische Kunst zurück“, zeigt sich der Geschäftsführer zufrieden mit dem Programm. Ein weiterer Baustein des neuen Majolika-Konzepts sind Bildungs- und Kursangebote. Von Abendklassen, Ferien- und Schnupperangeboten bis zu Kinderkursen reicht das kostenpflichtige Kursangebot in der Keramik, für das Extraräume gebaut wurden. „Wir hoffen, dass es Früchte trägt, dass wir das Programm umgestellt haben“, sagt Gutowski.
Bereits im Juli startete mit der Ausstellung „Weißes Gold“ des Malers Ralph Gelbert auch das kuratierte Ausstellungsprogramm aus der Corona-Pause, das alle zwei bis drei Monate wechseln soll. Mit einer der Justitia nachgebildeten Figur „Climate Justice“ griff Hirofumi Fujiwara in einer weiteren Ausstellung ein aktuelles Thema Karlsruhe-spezifisch auf. In der hauseigenen Manufaktur werde die Figur derzeit vervielfältigt und soll im Rahmen des Jubiläums „120 Jahre Majolika“ in einer „Keramik Edition gegen den Klimawandel“ vertrieben werden, berichtet Gutowski. Das Jubiläumsjahr der Majolika steht auch im Mittelpunkt der am 16.10. startenden Ausstellung „Ikone 2021“. Europaweit waren Keramikkünstler aufgerufen, sich in ihren Arbeiten mit der Idee einer Ikone im zeitgenössischen Sinne auseinanderzusetzen. Gutowski will damit an Arbeiten des Beginns des 20. Jahrhunderts anknüpfen, die „zu Markenzeichen oder Ikonen der Majolika-Manufaktur geworden“ seien. Auf die Ausschreibung hätten sich über 200 Bewerber beworben, freut sich Gutowski. Drei der Arbeiten würden erstmals in der Majolika-Geschichte mit einem Förder- bzw. Anerkennungspreis für zeitgenössische Keramik-Kunst ausgezeichnet.
Schützenhilfe für den Neustart der Majolika will der Ettlinger Hans Bretz leisten, der in diesem Jahr die Gründung des Unternehmens Majoli-Art vorantrieb. Zwar agierten beide Unternehmen selbständig und unabhängig. Doch mit der neuen Gesellschaft will Bretz vor allem helfen, „mit zeitgemäßen und außergewöhnlichen Kunst- und Kulturprojekten, Aufträge für die Majolika zu beschaffen und mitwirken, die Majolika-Manufaktur auszulasten“. Drei Projekte seien bereits angelaufen, sagt Bretz. Neben einem individuell gestaltbaren badischen Ehrenwappen ist ein weiteres Projekt Ergebnis einer Kooperation mit dem hiesigen Profifußballverein. Eine Jury aus Fans bestimme dabei den „KSC-Spieler der Saison“, der dann als Keramikkunstwerk gestaltet und von den Anhängern als „emotionale Wertanlage“ erworben werden könne. „Hans Bretz entwickelt die Projekte und wir setzen sie um“, beschreibt Gutowski die Zusammenarbeit und ist angesichts der vielen angestoßenen Projekte vorsichtig optimistisch für die Zukunft der Majolika, die für „Geschichte und Kulturgut der Stadt sehr wichtig“ sei. „Es ist die schwierigste Zeit, den Aufbruch zu machen, aber wenn wir das überstehen, kann es nur noch aufwärts gehen“, sagt er auch mit Blick auf die Auswirkungen der Corona-Pandemie.
Kulturbürgermeister Albert Käuflein bezeichnet sich als „Freund der Majolika“ und will die Manufaktur erhalten. Ihn freue gerade das Engagement von Bretz, „seine Ideen und Projekte sind sehr vielversprechend und passen zur Majolika“, sagt er. Gutowski hofft auch weiter auf finanzielle Unterstützung der Stadt. Derzeit sei ein jährlicher Zuschuss von 150.000 Euro für die Majolika im Gespräch. „Mehr wäre natürlich schön, aber wenn es das ist, was die Stadt geben kann, müssen wir andere Förderer finden“, sagt Gutowski. Zur Zukunft der Immobile, die die Stadt gerne in Erbpacht an einen Investor abgeben will, weiß er nichts. Die INKA-Fragen dazu blieben von der zuständigen Finanzbürgermeisterin Gabriele Luczak-Schwarz bis Redaktionsschluss unbeantwortet. -fk
Ikone 2021: ab Sa, 16.10., Majolika, Karlsruhe
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