30 Jahre HfG: Matthias Bruhn über „The Future Of Gestaltung“

Kunst & Ausstellungen // Artikel vom 09.02.2023

Matthias Bruhn (Foto: Michelle Mantel)

„Die Zukunft gestalten“ ist gefühlt der Wahlspruch fast jeder Partei.

Geht es nach dem Kunstwissenschaftler Dr. Matthias Bruhn hat er den Vorteil, Tatkraft zu vermitteln, aber vage genug zu bleiben und ferne Zeiten anzudeuten. Gemeinsam mit vielen KollegInnen hat Professor Bruhn an der Hochschule für Gestaltung nun das Forum und Symposium „The Future Of Gestaltung“ organisiert und genau: gestaltet. Bei Verköstigung und Musik klingt dabei nicht nur das Jubiläum „30 Jahre HfG“ aus, sondern werden auch Fragen über die Gestaltung der Zukunft diskutiert – im besten Falle konkreter und fantasievoller als in der Parteipolitik und unter direktem Einbezug der Öffentlichkeit. Bruhn stand Friedemann Dupelius Rede und Antwort.

INKA: Das Programm von „The Future Of Gestaltung“ ist sehr vielseitig. Es geht um Biomaterialien, um Künstliche Intelligenz und Alternativen zur Wachstumslogik, aber auch um soziale Räume, die Zukunft der Freizeit und um Werte. Wie werden diese so unterschiedlichen, aber im Kern alle zusammengehörigen Themen verhandelt?
Matthias Bruhn: Die Themenvielfalt spiegelt wider, was an der HfG tatsächlich geschieht. Im Zuge der Covid-bedingten Schließungen richtete sich der Blick der HfG wieder auf das Gebäude selbst, auf die Munitionsfabrik. Ein erster Ertrag war das „Hallenbaufestival“ im vergangenen Herbst, mit dem wieder alle Teile des Hauses gleichzeitig begehbar waren und das den Auftakt des Jubiläums zu 30 Jahren HfG markierte. „The Future Of Gestaltung“ soll nun den Abschluss dieses Jubiläums bilden, durch eine Hochschule ohne Wände, eine „École imaginaire“. Die Öffentlichkeit soll allerorten an Teesalons, Tischgesprächen, Vorträgen, Kursen teilnehmen können. Gedankenexperimente aller Art sind willkommen. Wir fragen: Wer bestimmt unseren Kanon und unser historisches Wissen? Wer legt fest, was Gestaltung bezweckt oder wann sie gut ist? Braucht es mehr Digitalisierung oder mehr Nachhaltigkeit? Verlieren wir im Zeitalter der Smartphones unser Körpergefühl? Liefert uns KI ein Bild der Zukunft, oder lässt sie uns nur alt aussehen? Was werden unsere Prioritäten sein?

INKA: Wie können sich Menschen aus der Stadtgesellschaft bei „The Future Of Gestaltung“ einbringen?
Bruhn: Dabei sein ist alles. Und wer am ersten Tag einfach schaut, wie die Veranstaltung aussieht, bekommt vielleicht eine Idee für einen eigenen Impuls am zweiten Tag.

INKA: Welche Rolle kann die HfG mit ihrem interdisziplinären Mix aus Kunst, Design und Theorie bei der Gestaltung der Zukunft Karlsruhes spielen?
Bruhn: Im Unterschied zu einer Schule für Grafik- oder Mediendesign zielt die HfG Karlsruhe seit ihrer Gründung darauf, die technische Entwicklung künstlerisch und wissenschaftlich zu hinterfragen. Es geht also nicht darum, digitale Skills zu vermitteln, sondern Souveränität zu gewinnen. Wenn wir auf den Stadtplan Karlsruhes schauen, sehen wir eine dichte Versammlung staatlicher und städtischer Hochschulen, Museen und Vereinigungen. Zwischen dem KIT als Wissenschaftsmaschine und neben der traditionsreichen Kunstakademie ist die HfG geradezu prädestiniert, ein gemeinsames Laboratorium wissenschaftlicher, künstlerischer und technisch-gestalterischer Fächer zu sein. Es gibt keine Frage, die an der HfG nicht reflektiert werden könnte, und es ist kein Zufall, wenn StudentInnen und AbsolventInnen der HfG in allen Institutionen der Stadt anzutreffen sind.

INKA: Wie können die Karlsruher Stadtgesellschaft und die HfG enger zusammenrücken, um an der Zukunft ihrer gemeinsamen Stadt zu arbeiten?
Bruhn: Der Hallenbau ist ein Kraftzentrum der Stadt. Von hier aus legt sich ein intellektueller Fächer über die Stadt, genau wie im Osten vom KIT her. Rein urbanistisch gesehen könnte diese Verbindung zur Stadt verbessert werden. Wenn ich als Kunstwissenschaftler auf die Stadt schaue, sehe ich keinen Widerspruch zu dem Umstand, dass Karlsruhe Zentrum einer Technologieregion oder eine Residenz des Rechts ist und dementsprechend beworben wird. Denn Kunst, Gestaltung und Wissenschaft gehören zusammen. Auch der lokalen Presse würde ich nahelegen, die Berichterstattung aus Wissenschaft, Kunst und Kultur wieder auszubauen, denn Agenturnachrichten kann ich überall bekommen, Karlsruher Kulturereignisse dagegen nicht. Wie gut, dass es INKA gibt!

INKA: Womöglich liegt die Chance der Kunst und der Gestaltung gerade auch in der Spekulation, der Fiktion, der Fantasie?
Bruhn: Spekulation ist als Begriff nicht nur an der Börse, sondern längst auch im Design etabliert. Durch einen spekulativen Ansatz wird versucht, über reine Problemlösungen hinauszukommen und sich selbst Aufgaben zu stellen. Was die gesellschaftliche Funktion solcher Entwicklungen angeht, müssen wir aber beachten, dass Spekulation, Innovation und Kreation immer auch wirtschaftliche Faktoren sind. Entscheidend bleibt daher, ob es für sie Freiräume gibt, in denen sie nicht nur von Verwertbarkeit, sondern von Sinnhaftigkeit bestimmt werden. Ansonsten könnten wir uns an das Motto Albert Einsteins halten, dass das Wissen begrenzt, die Fantasie aber unendlich ist.

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