Fotografie erhält Logenplatz

Kunst & Ausstellungen // Artikel vom 24.02.2008

Versuchte man 2007 mit der "blutigen Nase" des jungen Sammlers Rik Reinking und den klatschenden Seehunden kunstkritische Signale zu setzen, wirkt es heuer beschaulicher.

Die meisten Besucher haben Reinkings kunstkritischen Beitrag, der sich gegen den Turbo-Hype wandte, wohl eher nicht wahrgenommen. Dagegen fiel auf, dass kaum Fotografie gezeigt wurde und gar keine Medien- oder Videokunst, was in Karlsruhe, wo das ZKM internationale Aufmerksamkeit erweckt, doch überrascht.

2008 nun richtet Schrade an exponierter Stelle einen neuen Bereich für rund 20 Herausgeber von Editionen, Druckgrafik und Fotografie ein. Unweit der Sonderschau Sharjah lädt eine "Fotostrecke" zum Verweilen ein. Bisher waren die Fotokünste über die Messe verteilt, nun präsentiert sich die Fotografie gebündelt, etwa mit den Hamburger Fotospezialisten "Multiple Box", die Astrid Kirchhoffs Beatles-Serie aus den 60er Jahren zeigen. Der Mainzer Chorus Verlag der Galeristin Dorothea van der Koelen stellt Portfolios der Künstler Lore Bert, Fabrizio Plessi oder Günther Uecker aus. Ein nicht unwichtiger Nebenaspekt: moderate Preise für Einsteiger ins Sammeln!

Mittleres Preissegment und Höhenflüge

"Kunst bereichert das Leben und nicht das Portemonnaie." Der schöne Satz stammt von  Simon Keller, dem neuen Direktor der Fondation Beyeler. Nun, die art Karlsruhe bietet für jeden Geldbeutel etwas. Kunstliebhaber können für wenig Geld ein Originalkunstwerk erstehen. Beliebt waren in den vergangenen Jahren mittlere Formate figurativer Malerei, Landschaftsbilder, Konzeptkunst oder fotorealistische Gemälde. Je nach Größe lagen die Preise zwischen 500 und 5000 Euro. Aber selbst unter 100 Euro ließ sich kleine feine "Dosenkunst" finden.

Doch auch nach oben preschten die Preise: Das mit 1,55 Millionen Euro teuerste Bild stammte 2007 von Gerhard Richter. Daneben bot die Galerie Vömel einen Holzschnitt von HAP Grieshaber für 3800 Euro, während ein Kölner Galerist Zeichnungen von Lyonel Feininger für 9500 Euro verkaufte und Henze & Ketterer Arbeiten der Expressionisten Pechstein, Heckel oder Kirchner für rund 200.000 Euro offerierten. Wie man hört, haben die Sammler Reinhold Würth und Frieder Burda mehrfach zugeschlagen, aber auch Museumsdirektoren.

Allüberall Skulpturenplätze

Seit ihrer Gründung behaupten Skulpturen ihre besondere Stellung auf der art. Hier verfolgt Ewald Karl Schrade nicht bloß einen Trend, sondern manifestiert seine Überzeugung, dass Plastiken in der Bildenden Kunst immer ihren festen Platz haben. Wie an ehemaligen Marktplätzen, die ja auch dem Austausch und der Diskussion dienten, können Besucher auf der art um die offenen Skulpturenplätze herumlaufen und über die ausgestellten Werke hinweg miteinander ins Gespräch kommen.

Die Galerie Henze & Ketterer aus Bern zeigt eigensinnige Werke von Jürgen Brodwolf. Vor wenigen Wochen widmete die Landauer Galerie Ruppert dem Künstler Brodwolf eine Einzelausstellung. Zur art bringt Ruppert dieses Mal als One-Artist-Show Horst E. Kalinowski. Dieser Künstler ist eng mit Karlsruhe verbunden: Er lehrte von 1968 bis 1989 an der hiesigen Kunstakademie. Bereits in den 50er Jahren trat der aus Düsseldorf stammende Bildhauer mit seinen "Bildschreinen" und "caissons" aus Holz und Leder an die Öffentlichkeit, im Innenhof der EnBW steht seine Bronzeplastik "Baummark".

Karlsruher Galerien auf der art

Die zurückhaltende Teilnahme Karlsruher Galerien hat sich grundlegend geändert. Zwar verlegten einige sogar aufgrund der Messe ihren Sitz in die Fächerstadt, doch manch hier ansässiger Galerist rümpfte vor fünf Jahren die Nase. Dirk Supper kam aus Pforzheim, und auch die Galerie Seuren zog extra für die art nach Karlsruhe. Beide präsentieren, wie z.B. auch die Galerie Alfred Knecht, von Anfang an ihre Künstler auf der art. Galerist Knecht ist nach wie vor davon überzeugt, dass die art den Standort positiv beeinflusst und den Kunstbetrieb anregt. 2007 lag sein Fokus mit Kitzel, Baschang und Krieg mehr auf Malerei.

Nun zeigt er erstmals ein "pluralistisches Programm": zwölf Künstler, die eine Hälfte Bildhauer, die andere Maler. "Es wird kein willkürliches Potpourri sein. Ich plane den Aufbau des Standes genau, mache mir vorab ein kleines Modell und wähle sehr sorgfältig wenige, repräsentative Werke aus. Wer mehr von den einzelnen Künstlern sehen möchte, kann zu mir in die Galerie kommen und im Lager fündig werden", erklärt Knecht. Da die art immer attraktiver wird, versuchen junge Künstler mit allen Mitteln, eine Teilnahme zu erwirken. "Es gibt Künstler, die den Galeristen anbieten, sich an der Standmiete zu beteiligen, wenn sie dafür ausgestellt werden. So etwas lehne ich ab", erzählt der erfahrene Kunstvermittler.

Im Vergleich zu anderen Kunstmessen sind die Standgebühren der art noch moderat und nur leicht gestiegen. Trotzdem muss das Geld erst einmal wieder reinkommen. Doch Knecht weiß, dass es sich lohnt, selbst wenn während der Messe nicht auf Anhieb viel verkauft wird. Manchmal kommen die Kunden Monate später, weil sie auf der art etwas gesehen haben und gegen Ende des Jahres ein Ankauf noch ins Budget passt.

Auch Michael Oess strahlt positive Freude aus bei der Vorbereitung zur art. Zum zweiten Mal ist er mit seiner Neuen Kunst Gallery dabei. 2007 zeigte er den frechen, peppigen und hintersinnigen M.S. Bastian. Dieses Mal gibt es bei ihm die 42-jährige Griechin Ana Mathiou zu entdecken nebst Fotografien von Alex Flemming. Außerdem sind Tütenbilder und bunte Städte von Thitz zu sehen sowie Neues von M.S. Bastian. Zum ersten Mal mit dabei sind die Karlsruher Galerien Dorothee Bode (mit Bildern von Emil Wachter, Klaus Langkafel, Johannes Gervé und Claudia Blume), Ferenbalm-Gurbrü Station (One-Artist-Show: Tim Ernst, Bild oben), Galerie Haus Schneider Uschi Kolb sowie Clemens Thimme, der Rainer Küchenmeister eine One-Artist-Show widmet, aber auch u.a. Gabriele Straub, Nguyen Manh Hung, Axel Philipp und Edith Lechtape zeigt.

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