INKA-Interview mit Pia Müller-Tamm

Kunst & Ausstellungen // Artikel vom 22.09.2009

Seit Mai 2009 wird die Staatliche Kunsthalle Karlsruhe von der promovierten Kunsthistorikerin Pia Müller-Tamm geleitet.

Die 52-Jährige gilt als Expertin für moderne und zeitgenössische Kunst. Müller-Tamm wollte schon immer ans Museum und arbeitete nach dem Studium zunächst als Kustodin der Grafischen Sammlung und des Kupferstichkabinetts in der Kunsthalle Mannheim. 1995 wechselte sie an die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, deren wissenschaftliche Leitung sie seit 2001 innehatte.

Die Staatliche Kunsthalle Karlsruhe sei kein Haus, das man neu erfinden müsse, es werde Kontinuität, aber auch Änderungen in der Feinjustierung geben, kündigte die neue Museumschefin an. Zum zweiten Mal steht damit eine Frau an der Spitze der Kunsthalle: Von 1927 bis 1933 leitete Lilli Fischel das Museum und machte bedeutende Ankäufe, u.a. Werke von Gustave Courbet, Lovis Corinth, Max Liebermann und Max Slevogt. Pia Müller-Tamm tritt in die Fußstapfen von Klaus Schrenk, der jetzt die Bayerischen Gemäldesammlungen in München leitet. Für inka sprach Ute Bauermeister mit der neuen Direktorin über konkrete Pläne.

INKA: Welche neuen Impulse wollen Sie setzen?
Pia Müller-Tamm: Ich stehe hinter dem, was dieses Haus bisher gemacht hat. Die Sammlungen sind großartig, ein immenses Ideenreservoir. Wir wollen die Tradition der großen Ausstellungen mit Fokus Frankreich fortsetzen. Mir liegt viel an Vernetzungen, zum Beispiel mit den Universitäten. Künftig wird es auch eine Kooperation mit dem Deutschen Forum für Kunstgeschichte in Paris geben. Im Bereich zeitgenössischer Kunst ist das Programm bisher vielleicht nicht ausreichend überregional wahrgenommen worden, das möchte ich gern verbessern. Ohne Ausstellungen wie Ufos einfliegen zu lassen, möchte ich trotzdem Künstler vorstellen, die hier noch nicht verortet sind. Die Energien heutiger Künstler sollen der Kunsthalle zugute kommen. Zum Beispiel wird 2010 der 51-jährige Pole Miroslaw Balka ein Ensemble von Arbeiten schaffen, die in den Räumen der Altdeutschen Kunst zu sehen sein werden und mit den dort permanent gezeigten Werken in Dialog treten.

INKA: Gibt es „Problemzonen“ in der Kunsthalle?
Müller-Tamm: Das Haus hat einerseits eine hervorragende architektonische Substanz, vor allem in dem historisch ältesten Bautrakt von Heinrich Hübsch. Andererseits gibt es Defizite im Raumprogramm: So hat die Kunsthalle keinen Bereich für Wechselausstellungen. Immer wenn wir eine große Sonderausstellung planen, müssen wichtige Sammlungsteile ins Depot. Hier suche ich nach einer intelligenten Lösung im Bestand, ohne großen Erweiterungsbau. Außerdem gibt es einiges zu tun im Bereich Besucherführung. Für viele Menschen ist es nicht leicht, sich in dem Gesamtkomplex zurechtzufinden. Und als weitgehende Maßnahme steht die Überdachung des Innenhofes vom Haupthaus zur Diskussion, was im übrigen schon 1890, vom zweiten Architekten der Kunsthalle Josef Durm, vorgeschlagen wurde.

INKA: Sind Sie mit der Präsentation der Werke zufrieden?
Müller-Tamm: Die Räume haben alle unterschiedliche Standards und teilweise sehr eigene Charaktere. Wir können den Feuerbachsaal nicht so bespielen wie den grünen Saal oder den Durm-Flügel. Dennoch suchen wir nach einem Gesamtklang. Die drei Häuser der Kunsthalle sollen in der Besucheransprache aufeinander abgestimmt sein und unterschiedliche Präsentationsniveaus einander angenähert werden – immer natürlich mit großem Respekt vor den besonderen Qualitäten der historischen Räume.

INKA: Wie haben Sie sich an dieses große Haus herangetastet? Und: Haben Sie ein Lieblingsbild?
Müller-Tamm: Ich habe mich natürlich gut auf die neue Aufgabe vorbereitet und habe beim Blick hinter die Kulissen keine bösen Überraschungen erlebt. Das Haus wurde seriös und solide geleitet. Ich bin dankbar, dass ich die Leitung eines so gut bestellten Hauses übernehmen durfte. Hier herrscht ein sehr angenehmes Betriebsklima. Unter den 800 Gemälden der Sammlung gibt es viele Favoriten. Besonders gern betrachte ich zur Zeit den frühen Rubens: das Bildnis der Marchesa Veronica Spinola Doria aus dem Jahre 1607, ein herausragendes Gemälde von großer kunstgeschichtlicher Bedeutung und größter Eleganz.

INKA: Welche Pläne haben Sie, was möchten Sie für die Kunsthalle erreichen?
Müller-Tamm: Ich hoffe, dass es mirgelingt, die Seriosität des Hauses mit heutigen Fragestellungen und jüngeren Ansätzen der Kunstgeschichte und der Vermittlung zu verbinden. Dabei ist mir der Dialog mit den Kolleginnen und Kollegen in der Kunsthalle, aber auch von Universitäten und anderen Kulturinstitutionen wichtig. Ein gemeinsamer gedanklicher Prozess soll sich in klug konzipierten Ausstellungen niederschlagen und in stimmigen Präsentationen anschaulich nachvollziehbar werden. Dann wollen wir die Ergebnisse in gegenwartstauglichen Modellen der Vermittlung an die Besucher weitergeben und dabei vor allem jene Kreise für unser Haus gewinnen, die bisher noch nicht zu unseren regelmäßigen Besuchern zählen. Aus den vielen stillen Liebhabern der Kunsthalle möchten wir begeisterte Besucher machen.

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