Karlsruhe sucht den Superkünstler
Kunst & Ausstellungen // Artikel vom 20.07.2009
Das Parlament ist gewählt und mit Sack und Pack in die Nancyhalle eingezogen.
Nach der demokratischen Wahl der Kunstvertreter im Mai können Neugierige seit 6.6. erkunden, wie es aussieht, wenn die Mehrheit entscheidet, welche Kunst „gut“ ist – und wer draußen bleiben muss. Das Ausstellungsexperiment namens „Wahlheimat“ hinterfragt ironisch Mechanismen von Politik und Kulturbetrieb. Aber nicht nur, wer drin ist, sondern auch, wie viel Platz ihm für die Einlösung seines Wahlversprechens bleibt, steht fest.
Während die Erstplatzierten in verschwenderischer Weite ihr Werk präsentieren können, ist für die meisten Raum gleich Luxus. Und so wallt Renate Schweizers „Weltenbürgerdecke“ in spielerischen Streifen von der Decke, während sich z.B. die Fotografien Steffen Wolfs auf wenigen Metern dicht an dicht drängen. Unbedarfte Gästen scheinen oft zu bedauern, dass die Abstimmung bereits gelaufen ist. Fast scheint es, als sei der Wahl-Prozess wichtiger als die Ausstellung selbst.
Manch einer baut bei Platzmangel einfach in die Höhe, wie das Team der Walwanderung. Ihre immerfort lärmende Installation aus einem Skelett und einer Latexhaut in Walform baumelt munter von der Decke. Auch andere Werke surren, stöhnen und klingeln. Das Wahlorakel von Michael Saup und Nils Menrad verbindet Besucher per Telefon mit dem „Oraculum Communis“, einer politisch-poetischen Textmaschine, die auf Fragen mit live computergenerierten Weisheiten antwortet.
Matthias Fritsch hat für die Präsentation von „Technoviking“ die originellsten Stilblüten der letzten Jahre zusammengetragen. Neben allerlei Interpretationen seines Clips, die zu hunderten im Netz kursieren, sind Adaptionen in Plakatform zu sehen – von der Puppen-Reklame bis zur stilisierten Werbeikone für den iPod. Manch einer hat mit seinen demokratisch erkämpften Prozenten aber doch zu kämpfen. Das Mammutprojekt „Karlsruhe sucht den Superkünstler“ wäre gern gepflegte Samstagabendunterhaltung, scheitert aber regelmäßig an Pleiten, Pech und Pannen.
Jeden zweiten Sonnabend während der Ausstellung will Christian Rall aka „Freifrau Maria von Bolla“, komplett mit Pumps, Kostüm und falschen Wimpern, unter vier Gästen den Titel „Superkünstler“ vergeben, die Ausstrahlung der Sendung erfolgt dann per Livestream. Trotz Platz 13 erhielt die Show nur zweieinhalb Prozent Fläche. Zwar war das Raumproblem schnell gelöst, indem man das Publikum kurzerhand draußen Platz nehmen ließ, doch der Mangel an finanzieller und tatkräftiger Unterstützung drückt sichtlich aufs Gemüt.
Und so sah die zweite Sendung am 20.6. mehr nach Heimvideo-Trash und Impro-Theater aus denn nach Fernsehgeschichte. Als Zeichen des Protests ließ sich Moderatorin „Maria“ vom nonchalanten Papa „Horst“ vertreten. Silke Reeh erklomm als erster Gast die Bühne aus Bierkästen, Lümmelcouch und Lichterketten, zeigte brav ihre Zeichnungen vor, versuchte sich als Laufstegtrainerin und nahm Zuschauerfragen der Hotline an. Zugegeben – „Wo kommst Du her? Und sing doch mal!“ stehen nicht unbedingt in Tradition des gefälligen Smalltalks eines Thomas Gottschalk.
Doch war die Show bis dato durchaus herzeigbar und verzeichnete Spitzenquoten von bis zu 40 Zuschauern. Insgesamt aber stand die Sendung unter einem unglücklichen Stern. Während der Tanz-Performance des zweiten Anwärters Tom aka „Leogphonica“ brach eine Sitzbank unter der Last des tobenden Publikums zusammen; die Übertragung nach außen war weitestgehend tot und die Zwischenrufe des Publikums tönten engagiert, doch zunehmend betrunkener durchs Studio.
Als letzte Gäste quetschten sich Aquarell-Maler Mike Berlinger und Lästermaul „Björne aus Berlin“ mit aufs Sofa. Man fläzte ein bisschen, rauchte Kette und trank Bier. Am Ende der 130 Minuten entschied eine leicht psychedelische Version von „Wer bin ich?“ die Wahl und „Björne“ durfte sich über einen Kasten Bier freuen.
Die nächsten Shows finden am 18.7., dem 1., 15. und 29.8. und 12. und 26.9., je um 21.15 Uhr zwischen Nancyhalle und Konzerthaus statt. Die Show kann im Internet unter www.ksds.tv empfangen werden und steht dort anschließend zum Download bereit. -fb
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