Kunstakademie-Jahresschau & Galerientag
Kunst & Ausstellungen // Artikel vom 12.02.2019
Ein Blick auf das aktuelle Kunstgeschehen in Karlsruhe.
In den Wochen vor und nach Jahreswechsel gab es reichlich Neues zu entdecken in der Karlsruher Kunstlandschaft. So lud die Kunstakademie im Dezember zur Jahresausstellung und konnte mit den von der Professoren-Jury ausgewählten Arbeiten wieder ein buntgemischtes Publikum in ihren Lichthof locken. Dem erstaunlich beseelten Blick des Eselchen von Preisträger Jules Andrieu konnte sich kaum ein Besucher entziehen.
Dabei werden Gattung, Material und Technik auf den Exponatbeschriftungen nicht verraten. Und so diskutieren zwei Besucherinnen die mögliche Beschaffenheit des zweiteiligen Wandobjekts von Vincent Krüger O.T., das reliefartig in den Raum ragt: Herausgebrochene, teilweise herausgeschnittene Segmente kreieren eine paradoxe Wirkung aus robuster Härte und organischer Fragilität, Ganzheit und Fragment. Von den gefüllten Gängen aus versuchte man einen Blick auf die Performances von Amelie Russanas („Der Schlafende“) und Dominik Höß’ „Innenleben 2“ zu erhaschen. Letzterer hing und dreht sich in zwei Skischuhen befestigt kopfüber vom Geländer.
Ein guter Platz zum Abhängen! – dachte sich wohl auch Lucia Mattes, deren überdimensionale Stoffkette (ob Fessel oder Schmuck) ebenfalls über dem Geländer hing. Konsumkritik übten nicht nur Lena Kaufmehl mit „Kaufen, Kaufen, Kaufen“ und Preisträgerin Lin Oschlowka mit „Twix“, sondern auch Julián D. Hepner: In seiner fünfteiligen Fotoreihe „Wie das Absurde mich rettete“ gehen materieller Reichtum und fehlender Lebenssinn eine Liaison miteinander ein. Prallgefüllte Sparstrümpfe in Adiletten reihen sich neben Geldbündeln, die an bunten Luftballons hängen, während der Protagonist übersättigt mit dem Gesicht in der Suppenschüssel ertrinkt. Nach einem missglückten Hauptgang läuft es beim Dessert nicht besser: Die umgestülpte Waffel entlässt das Schokoeis über sein ausdrucksloses Gesicht – zelebrierte Sinnlosigkeit, die Camus eine wahre Freude gewesen wäre! In der Produzentengalerie V8 fand am 18.1. die Mitglieder-Ausstellung „Nichtclub“ statt, diesmal mit Verstärkung von Künstlern aus Karlsruhe und ganz Deutschland.
Das Netzwerk des Projektraums ist nach 13-jährigem Bestehen beachtlich. Mit Editionen präsentierten Franziska Degendorfer Textilarbeiten, Florian Köhler Betongüsse und Julian Mullan Fotografien im Pigmentdruck, die sie in mehrfacher Auflage produziert haben. Degendorfer kreiert aus verschiedenen bunten Stoffen Bildkompositionen, die mal als geometrische Collagen, mal übereinandergeschichtet als Reliefs erscheinen. Dosen, Schnapsflaschen, Styropor oder Kaffeebecher verwandelt Köhler in Beton gegossen zu grotesken Figuren. In direkter Nachbarschaft zur V8 bekommt die Karlsruher Offspace-Szene Nachwuchs. Denn das Studio Vicky feierte passend zum „Galerientag“ am 19.1. Atelier-Eröffnung und das ßpace die Vernissage von „Pulp“ mit Johanna Wagners neuen Arbeiten, ihren sogenannten Zwischenformen aus Zeichnung und Malerei.
Am 19.1., dem „Galerientag“, begab sich Jung und Alt auf Pilgerschaft von Galerie zu Galerie: So war Gerhard Knodel bei der Eröffnung seiner Einzelausstellung in der Galerie Artpark anwesend, in der sein reiches Œuvres konstruktivistischer Rasterbilder zu sehen ist (bis 16.2.). Angesichts der zahlreichen Galeriebesucher war er zu Tränen gerührt. Großen Andrang gab es auch im Artlet Studio: Vor Dominik Schmitts Gemälden, die eine unfassbare Fülle an Mensch- und Tierwesen zeigen, bildeten sich rasch Besucherschlangen (bis 9.3.). In der Galerie Rottloff ist noch bis 22.2.die Einzelausstellung „Blütentreiben“ von Agnes Märkel zu sehen, die an Farb- und Formsymbolik ihresgleichen sucht (bis 22.2.). Die Galerie Klinger & Me präsentiert Mathis Bauer (bis 2.3.) mit Arbeiten, die unmittelbar aus der Farbtube entstanden zu sein scheinen. Bauer schickt in seinen Bildern Form und Farbe in die Arena. Geht die Farbe als Gewinner hervor oder erkämpft sich die Form tapfer den Weg durch die dickflüssige Farbpallette?
Unter dem Titel „Border“ hängen in der Galerie Spektrum neben jeder Fotografie der Atacama Wüste und den Osterinseln jeweils ein Schmuckstück von Mari Ishikawa – eine Verbindung, die sich aus den organischen Formen ihrer Ketten, Broschen und Ringe ergibt. Um Ishikawas fragilen Schmuck aus geschwärztem Silber schlingen sich knospenartig rote Knoten aus Seidenfaden. Wie einen langen Paravent hat Ulrich J. Wolff seine Druckplatten quer durch die Galerie Knecht und Burster (bis 2.3.) aufgestellt. Das Werkzeug, mit dem er Fotoaquatinta-Radierungen in einer einzigartigen Mischung aus Schwarz-Weiß-Fotografie und Zeichnung, Unschärfe und Detail erhält. -mic
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