State And Nature

Kunst & Ausstellungen // Artikel vom 03.08.2021

„We need a warmer cave for winter and someone who can speak Harari.“

Die Vernissage von „State and Nature“ beginnt damit, dass wir alle raus auf die Terrasse geschickt werden. Seit Mai 2020 leiten Çağla İlk und Misal Adnan Yıldız die Staatliche Kunsthalle Baden-Baden; ihre erste Ausstellung ist inspiriert von dem poetischen Werk des türkischen Dichters Ece Ayhan. Gedichte, wie das oben zitierte „A Tale Begun“ von der polnischen Lyrikerin Wislawa Szymborska, teilweise in Originalsprache, teilweise ins Englische oder Deutsche übersetzt, eröffnen die Ausstellung, die sich mit den Veränderungen im Verhältnis von Staat und Natur auseinandersetzt. Im ersten Raum begrüßt eine Installation der iranischen Künstlerin Neda Saeedi. Ich ärgere mich zugegebenermaßen ein wenig, denn das große Gebilde aus Glas, Stahl und in der Lichtentaler Allee gesammelten Pflanzen ist zwar schön, doch soll das die Zukunft sein?

Gepresst, archiviert, in Schneekugeln konserviert und gezähmt? Näher an die Wildheit der Natur komme ich durch die Fotos von Simone Dermandt, deren Fotografien von Holzbruchstücken wie Fragmente eines menschlichen Körpers anmuten. Ich sehe eine Lunge, ein Gesicht und frage mich, ob Bäume uns so unähnlich sind. Überhaupt ist der Raum ganz dem Holz gewidmet: Ein übergroßes Streichholz des Konzeptkünstlers Henrick Oelsen, das auf der gleichen Arbeit von Claes Oldenburg basiert, füllt ihn. Was 1987 akut war, ist es leider auch 2021. Die Künstlerin Mehtap Baydu erzählt, dass die Schuppen ihrer Hydra-Kreatur, der Şahmaran, aus der Kleidung von Frauen gefertigt ist – ein Statement zur Situation der Frauenrechte in der Türkei.

Die Positionen der insgesamt 26 KünstlerInnen sind divers und regen zum Nachdenken an. Es sind auch Bilder des Malers Andreas Achenbach zu sehen. Die 200 Jahre alten romantischen Landschaftsdarstellungen bilden einen guten Gegenpol. Ich bin mit der Arbeit von Saeedi, an der ich am Ende wieder vorbeigehe, mittlerweile versöhnt. Denn auf den zweiten Blick unter dem Eindruck der Denkanstöße sehe ich nun eine beunruhigende Vision: die wilde Natur nur noch konserviert zu erleben. Dies setzt einen Schlusspunkt, eine bildliche Warnung, was passiert, wenn wir keine neuen Wege finden und lernen, Luxus neu zu definieren. -viva

bis 31.10., Kunsthalle Baden-Baden, ergänzt durch wechselnde Performances & Installationen in der Stadt

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