Tradition und Aufbruch
Kunst & Design // Artikel vom 15.09.2019
Nachkriegskunst in Karlsruhe.
Nachdem die NS-Zeit und der Zweite Weltkrieg der künstlerischen Avantgarde in Deutschland ein vorläufiges Ende gesetzt hatten, galt es, sich in den Jahren nach 1945 neu zu orientieren. Ein Prozess, den der Ausstellungstitel, „Tradition und Aufbruch“, sehr gut zu vermitteln vermag. Wie tiefgehend die vorangegangene Katastrophe Karlsruher Künstler geprägt hat, wird anhand der thematisch und chronologisch geordneten Exponate in einer Vielfalt der Bildsprachen deutlich. Der Fokus liegt dabei, mit Ausnahme von Hans Graefs Bronzefiguren und Wilhelm Loths Relief, auf Gemälden und Druckgrafiken von 1945 bis 1960.
Ausstellungsrezension von Michaela Mansuroglu
Die Zerstörung Karlsruhes, der ehemaligen Landeshauptstadt, wird u.a. zum Bildmotiv. Was sich dem Betrachter mit den Gemälden Paul Maier-Pfaus oder Radierungen Hans Lopattas eröffnet, ist von einer Eindringlichkeit, die weit über bloße Dokumentation hinaus von einem höchst individuellen Umgang mit den Spuren des Krieges zeugt. Da, wo einst das Dach der Bahnsteighalle war, erstreckt sich auf Wilhelm Schnarrenbergers „Der Karlsruher Bahnhof“ nun der blaue Himmel – eine nahezu unheimliche Spannung zwischen zerstörter Eisenkonstruktion und friedlicher Morgenstimmung. Erwin Spulers düsterer Zyklus „Als das Feuer vom Himmel fiel“ zeigt auf Strichmännchen reduzierte Menschen inmitten einer alles umgebenden, destruktiven Kraft. Von beklemmender Dichte ist Anneliese Schemmels „Großstadt“: Der urbane Alltag ist wieder in vollem Gange. Passanten, Verkehr, Leitungen und Hochhäuser versperren die Sicht und kreieren so die unverkennbare Großstadtkulisse. Ein Großteil der Werke stammt aus dem Kreis der Kunstakademie: Nach ihrer Schließung 1944 konnte der Lehrbetrieb 1947 wieder aufgenommen werden. Dem Credo „Tradition als Verpflichtung“ folgend wurden die unter dem NS-Regime entlassenen Professoren Schnarrenberger und Karl Hubbuch wieder eingestellt.
Für neuen Wind sorgte ab 1955 HAP Grieshaber: Im Verbund mit seinen Schülern, darunter Walter Stöhrer und Hans Martin Erhardt, begründete er die Neue Figuration – die Erweiterung des Gegenständlichen um die Neuerungen der Abstraktion. Neu zu entdecken ist Stöhrers Porträt aus seiner Studienzeit: Gezeichnet von expressionistischer Melancholie verewigt sich der Künstler selbst in seinem Holzschnitt „Männliches Porträt“. Erhardt abstrahiert und akzentuiert zugleich die weibliche Silhouette seiner neckischen Lithografie „Frau“– ein in seiner „Kaffeetrinkerin“ wiederkehrendes Motiv. Die Lösung vom Gegenständlichen – eine Entwicklung, die an Willy Kiwitz’ Gemälden exemplarisch wird – kulminiert in „Hinterhöfe Karlsruhe/Blick über eine Stadt“: Unter Vernachlässigung der Perspektive und Betonung der Fläche vereint Kiwitz Natur und Architektur zu einer nahezu abstrakten Impression urbaner Landschaft. Eine Ausstellung, die zeigt, wie die Schwelle zwischen „Tradition und Aufbruch“ zum Schauplatz neuer Gestaltungsprinzipien wird.
bis 19.1., Städtische Galerie, Karlsruhe
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