Tradition und Aufbruch. Nachkriegskunst in Karlsruhe

Kunst & Ausstellungen // Artikel vom 19.01.2020

Wer den Blick hinter den eher nüchternen Titel dieser großen Karlsruher Kunstschau wagt, wird visuell reich belohnt.

Einmal mehr zeigt sich, welch künstlerisches Chronistenpotenzial in den hiesigen Sammlungen schlummert. Hinter großen HAP-Grieshaber-Arbeiten oder Hubbuchs fast Munch-artig eindringlichem Werk „Die Gespenster kehren zurück“ von 1959 und dem lieblichen 50er-Jahre-Kaiserstraßen-Aquarell von Wilfried Otto liegen Welten an Emotion und Lebensgefühl. Dieses haben etwa Walter Hertger („Auf der Eisbahn“) und auch Wilhelm Schnarrenberger in seinem kleinen Bild „Jazzband im Café Wien“ (um 1952) wunderbar eingefangen. Man beachte die offenbar nackte Saxofonistin, leicht verschämt im Bildhintergrund platziert: „Sex + Jazz“ gehörten damals im Dörfle noch zusammen.

Zum Thema passt aber auch Walter Beckers subtiles semi-abstraktes Werk „Musik“ von 1957. Will sagen: Die Ausstellung mit über 150 überwiegend Gemälden und Grafiken ist sinnhaft in sieben Kapitel unterteilt, bietet aber eine solche Fülle an „Anschauung“, dass sich jeder seinen eigenen Handlungsparcours zusammenstellen kann und wird. Eine Etage höher kann man dann in der Ausstellung „Umgehängt 2019“ sehen, wie es ab 1960 weiterging. Zu sehen sind hier teils berühmte Werke von Baselitz, Polke oder Immendorff.

Und den damals jungen Wilden wie Lüpertz oder Rainer Küchenmeister, die früher die Wald- und Hirschstraße unsicher machten, wo es mit dem Topsy eine „eigene“ exklusive Disco gab, von „Künstlern für Künstler“. Und dem Künstlercafé Krokodil am seinerzeit extra neu verkehrsberuhigten Ludwigsplatz als späterem Zentrum in den 70ern. -rw

Tradition und Aufbruch: bis 19.1., Umgehängt: bis Frühjahr 2020, Städtische Galerie Karlsruhe

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