UND #5
Kunst & Ausstellungen // Artikel vom 03.03.2010
Die UND #5 in der Nancyhalle gibt parallel zur art Einblicke in eine international agile Off-Szene.
„Eigentlich wollten wir eine Jury einrichten, die darüber entscheiden sollte, welche Initiativen an der nächsten UND teilnehmen, haben dann abgestimmt und das wurde gekippt“, erzählt Klaudia Wiener aus dem Organisationsteam der Karlsruher Off-Szene-Kunstmesse UND #5 – Plattform zur Präsentation von Kunstinitiativen, die gleichzeitig mit der art Karlruhe stattfindet und sich immer als Ergänzung, nie als Konkurrenz zur großen Schwester verstand.
Viel Engagement seitens der Künstler und Organisatoren war und ist nötig. Entscheidungen werden überwiegend basisdemokratisch getroffen, was zeitaufwändig und anstrengend ist, aber auch zu tollen Ergebnissen führt. Bereits zum fünften Mal präsentiert sich eine lebendige künstlerische Off-Szene, bestehend aus nichtkommerziellen Künstlergruppen und Produzentengalerien, die von sich aus bereits andere Künstler förderten.
„Bei der ersten UND waren hauptsächlich Karlsruher Gruppen dabei, jeder hat aktiv mitgearbeitet“, erinnert sich Wiener. Doch die UND ist gewachsen, heuer nehmen 22 Initiativen teil, viele auch von außerhalb. Vom Aufbau der Stände über den Getränkeausschank bis hin zu den Führungen muss alles in Eigenregie ehrenamtlich organisiert werden. Auch jeder teilnehmende Künstler muss seinen Beitrag leisten. Manches wird inzwischen vom Organisationsteam, bestehend aus Klaudia Wiener, Cosima Klischat und Joachim Hierling, entschieden, was gewisse Prozesse vereinfacht.
Dass zum zweiten Mal die Nancyhalle bespielt werden kann, bewerten die Organisatoren als großes Plus, denn endlich fällt die nervenaufreibende Raumsuche weg. Zuvor hatte die UND jedes Jahr eine andere Bleibe gefunden: mal einen Ex-Supermarkt, dann das ehemalige Autohaus Zschernitz, danach das leerstehende Versorgungsamt. Nun also leistet die Stadt Karlsruhe ein deutliches Bekenntnis zur UND, indem sie die Nancyhalle erneut zur Verfügung stellt. Sowohl dessen zentrale Lage als auch die großen Flächen bieten optimale Voraussetzungen, die auch genutzt werden. Es gibt keine Kojen, keine geschlossenen Räume, jede Initiative gestaltet ihre Fläche selbst.
Auf großes Echo stieß die UND 2009 nicht nur bei der Eröffnung, die traditionell bereits einen Tag vor der Eröffnung der art stattfindet, sondern auch während des umfangreichen Rahmenprogramms mit Lesungen, Diskussionsrunden, Performances und Konzerten. Zahlreiche Gäste freuten sich über die langen Öffnungszeiten (bis Mitternacht).
Über 4.000 Besucher strömten im vergangenen Jahr in die 3.000 Quadratmeter große Halle, um die 28 Initiativen mit Werken von 180 internationalen Künstlern zu sehen. Etwa die Hälfte der Initiativen kam aus Karlsruhe, auch das Begleitprogramm hatte stark lokalen Bezug, wie unter anderem Beiträge von Ichiigai, dem Musiklabel der Hochschule für Gestaltung, der Schülerband des hiesigen Helmholtzgymnasiums oder der Initiative schreibender Frauen Baden-Württembergs belegten. Mit ihrem umfassenden Konzept ist die UND-Plattform für zeitgenössische Kunst deutschlandweit einzigartig.
Nach wie vor gilt der Grundsatz, dass keine kommerziellen Galerien dabei sein dürfen. Erstmals nehmen „Nachtspeicher23“ aus Hamburg und „Cooltour“ aus Straßburg teil. Diesmal wird es unter anderem eine Art Kunstbühne geben, die Jonny Las Vegas Factory gestalten, auch der Außenbereich der Halle wird für Präsentationen oder Events genutzt. Die Namen der Initiativen sind oft schon Programm, so stellt die Gruppe „Fotowagen“ einen echten Wagen in die Halle, während „Cubus“ einen fünfeckigen Spezialraum erschafft. „Im vergangenen Jahr hat beispielsweise Alpineum täglich umgebaut“, berichtet Wiener.
Die Luzerner Produzentengalerie Alpineum zeigte erst kürzlich in einer unjurierten Jahresausstellung Kunstwerke, die durch minimale Platzbedürfnisse maximale Strahlkraft entwickeln. Qualität statt Quantität wurde hier in Quadratmillimetern gemessen. Die Initiativen arbeiten häufig experimentell, probieren aus und entwickeln gemeinsam Ideen, so auch die bei der UND vertretene „Brotloshappening“. Brotlos steht für Kunst, die in einer ungewöhnlichen Form präsentiert wird, sei es in Happenings, durch Ein-Tages-Ausstellungen oder Events, und agiert im Dreiländereck Schweiz, Deutschland, Österreich. Das Künstlerkollektiv orientiert und formiert sich immer wieder neu, die Künstler sind nicht auf einen bestimmten Stil fixiert. Der treibende Motor ist nicht Profit, sondern Kunst um der Kunst willen.
„Aus Stockholm wollte eine Gruppe anreisen, aber wir müssen erst noch die Gelder für die Flüge akquirieren. Hier sind wir auf Sponsoren angewiesen, die Unterbringung der Künstler erfolgt dann privat durch die Karlsruher Initiativen“, erklärt Klaudia Wiener. Aus der Fächerstadt werden diesmal wieder Kohi, KunstTransit, Poly Produzentengalerie, PaulSchwarzLopez und RaumZeitLabor dabei sein. Letztere präsentieren sich zwar in der Nancyhalle, stellen die Arbeiten jedoch in der Fleischmarkthalle aus. Juxus wird dieses Jahr nicht teilnehmen.
Etwas Besonderes haben sich wieder Evelyn Kopp und Juliane Spingler einfallen lassen, die bereits mit ihrer Kuschelpop-Reise-Theke und dem Naturkundemuseum zahlreiche Leute anlockten. Heuer wird ein Kunst-Taxi als mobile Galerie die Gäste zur Nancyhalle chauffieren. Geplant ist eine Fahrstrecke zwischen art und UND #5. Es dient einerseits der Netzwerkbildung, andererseits als Forum für Künstler. Besucher können einsteigen und sich mal anders in der Kunstszene bewegen.
Nach der UND #5 wird das Taxi noch in Hamburg präsentiert. Die beiden haben einen Kombi außen und innen umgestaltet: An der Stelle des Beifahrersitzes befindet sich ein kleines Regal mit Kunstwerken. Besucher können einen Kunstdruck erwerben, der gleichzeitig als Fahrschein fürs Kunst-Taxi dient.
Die Initiativen entscheiden selbst, welche Künstler sie zeigen. Somit wissen die drei Hauptorganisatoren oft bis zum Schluss nicht, was zu sehen sein wird. Auch kommen ganz frische Werke auf die UND, manch Gemälde oder Skulptur wird erst in der Nacht zuvor mit einem letzten Pinselstrich oder Hammerschlag fertiggestellt. Malerei, Zeichnung, relativ viel Fotografie, Collagen, Installationen, unterschiedliche Kunstsparten sind zu entdecken.
Eigentlich sind die Organisatoren mit der Entwicklung sehr zufrieden, ein bisschen mehr langfristige Unterstützung würden sie sich dennoch wünschen. „Wenn wir einen kleinen Etat hätten, mit dem wir planen könnten, wäre das wunderbar. So muss man jedes Jahr ums Neue kämpfen. Toll ist es natürlich, die Halle zu haben, dadurch haben wir die Raumsorge nicht mehr, und wir freuen uns auch sehr, dass die Stadt uns in den Flyer aufgenommen hat, der anlässlich der art Karlsruhe erscheinen wird. Wir würden uns eine intensivere Zusammenarbeit mit der art in Form von einer Kooperation über die Tickets oder Taxi-Shuttle oder wie auch immer wünschen“, resümiert die engagierte Künstlerin Klaudia Wiener, deren Collagen bei KunstTransit zu sehen sein werden.
Erstmals finden Führungen für Schulklassen statt (40 Euro/Klasse, Anmeldungen Tel. 0151/17 27 66 86). Zudem bietet die Künstlerin Gina Plunder Kinderführungen mit Kinderworkshop an (Kosten: drei Euro pro Kind). Ein weiteres Novum ist der kleine Katalog im DIN-A6-Format, in dem sich jede der teilnehmenden Initiativen mit einer Seite vorstellt. -rowa
UND #5 – Plattform zur Präsentation von Kunstinitiativen, Nancyhalle, Kongresszentrum am Festplatz, Karlsruhe. Kontakt: info@und-plattform.de, Tel. 0174/418 32 30. Die UND ist eine Non-Profit-Veranstaltung; Eröffnung: Di, 2.3. ab 19 Uhr, Dauer: Mi, 3.3.-So, 7.3.; Öffnungszeiten: Mi-Sa 14-24 Uhr, So 10-22 Uhr, Eintritt: Vernissage 3 Euro, Tageskarte fünf Euro (ermäßigt drei Euro), Komplettpass zehn Euro (ermäßigt sechs Euro), bis 16 Jahre freier Eintritt
www.und-plattform.de
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