Visionär mit Filzhut

Kunst & Ausstellungen // Artikel vom 05.07.2009

Als Kampfflieger im zweiten Weltkrieg überlebte Joseph Beuys nur knapp einen Flugzeugabsturz über der Krim.

Im Krankenlager wurde er mit Talg behandelt und in Filz gehüllt. Dieses Erlebnis bestimmte seine späteren Kunstmaterialien, neben Wachs und Kupfer zählten Fett und Filz zu seinen bevorzugten Stoffen. Der 1921 geborene Künstler wollte mit seiner Kunst die Einheit von Natur und Geist erlangen. Sein politisches Engagement blieb bis zu seinem Tod 1986 ungebrochen.

Um auf die Umwelt­zer­störung hinzuweisen, pflanzte er 5.000 Eichen als „Documenta“-Beitrag. Der visionäre Mann mit Filzhut hat mit seinen Ideen und Aktionen den Kunstbegriff radikal erweitert. Die Kunsthalle Mannheim holt sich Beuys’ Denkanstöße als Multiples und Editionen aus der Berliner Sammlung Schlegel ins Haus; die Ausstellung zeigt das gesamte Spektrum des Multimedia-Künstlers. Grau und übergroß hängt der Filzanzug an der weißen Wand. 100 davon hatte Beuys 1970 schneidern lassen: Ohne Knöpfe, ohne Löcher, ohne Träger wirkt der Zweiteiler heimatlos und paradoxerweise gleichzeitig wie die Verheißung von Heimat, Wärme, Geborgenheit.

Nun ist er Teil der ers­ten Einzelschau von Joseph Beuys in der Mannheimer Kunsthalle. 1968 erschien das unlimitierte Objekt „Intuition“ – ein Holzkästchen mit Bleistiftmarkierung – für unschlagbare 8 DM. Aus seinem Spätwerk stammt die „Capri-Batterie“ – eine gelbe Glühbirne in einer Fassung, die in einer Zitrone steckt. Energie und Wärme verspricht auch das „Objekt zum Schmieren und Drehen“.

In einer Blechdose voller Fett steckt ein Schrauben­zieher. Oder der „Schlitten“, bepackt mit Fett, Filz und einer Taschen­lampe – so kamen vielleicht damals 1944 die Retter, welche den jungen Beuys gerade noch lebend nach seinem Flugzeugabsturz aus dem Schnee zogen. -ub

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