Writing The History Of The Future 2
Kunst & Ausstellungen // Artikel vom 12.09.2019
Ganz nach dem Motto „Zurück in die Zukunft“ setzt das ZKM die Reise durch die eigene Sammlungsgeschichte fort.
Und zeigt damit: Was einst als künstlerische Utopie begann, prägt heute das Bild unserer Wirklichkeit. Teil eins entführt in die Frühgeschichte der Digitalisierung der Kunst seit den 1950er Jahren und präsentiert wegweisende Objekte von Künstlern, die – auf der Suche nach den Algorithmen des Schöpferischen – mit der Programmierbarkeit von Kunst experimentierten. Mit Teil zwei wächst die Ausstellung im Lichthof durch großformatige Pionierarbeiten der Video- und Computerkunst zu einem beeindruckenden Rückblick auf 30 Jahre ZKM an: Nam June Paiks berühmtes „Versailles Fountain“ ist dabei nur eines von rund 500 Exponaten.
Ausstellungsrezension von Michaela Mansuroglu
Zur Eröffnung von Teil zwei (20.7.) führten Kuratorin Magrit Rosen und Kurator Peter Weibel durch beide Phasen der Ausstellung. Ein absolutes Highlight: Einige der ausgestellten KünstlerInnen, darunter Timm Ulrichs, Jill Scott, Oskar Beckmann, Kirsten Geisler, Ira Schneider und Alba Urbano waren zu Gast und gaben einen persönlichen Einblick in ihr Schaffen. So berichtete Urbano, dass das, woran sie in den 90er Jahren mit „Touch Me“ arbeitete, damals noch ein Novum war: Heute gilt der Touchscreen als Alltagsgegenstand. Ein Phänomen, das Rosen und Weibel als Charakteristikum der Kunst verstehen: Erkenntnisse sichtbar zu machen, noch bevor die Welt sie als solche anerkenne. Interaktiv und höchst unterhaltsam ist die Arbeit von Christa Sommerer und Laurent Mignonneau: Stellt man sich vor den Monitor wie vor einen Spiegel, formieren sich unzählige schwarze Fliegen rasch zur eigenen Silhouette und kreieren so, passend zum Titel, ein „Portait On The Fly“. Das Publikum wird dynamisches Bildmotiv.
Gleich drei Kameras und 15 pyramidal gestaffelte Monitore sorgen bei Frank Gillettes Videoinstallation „Track/Trace“ dafür, dass der Rezipient Beobachter und Beobachtungsobjekt zugleich ist. Arbeiten, wie Geislers virtuell erschaffene Figur in „Who Are You?“, hinterfragen das Zustandekommen von Bildern und die Identifizierbarkeit von Virtualität und Realität. Beim Streicheln der sensiblen Musikpflanzen, „Akousmaflore“ von Scenocosme, wird eine Soundkulisse ausgelöst, die nicht von dieser Welt zu sein scheint. Die Grenze zwischen Produktion und Rezeption radikal hinterfragend bezeugt der Blick auf 30 Jahre ZKM, wie sich die Art, die Welt zu sehen und zu (re-)konstruieren, drastisch verändert hat: Wie speichern und bewahren wir Geschichte? Wie manifestieren sich Fiktion und Zukunftsvision im Medium? In ihrer Intermedialität und Interaktivität regen die ausgestellten Arbeiten zum Weiterdenken an. Karlsruhe bewirbt sich gemeinsam mit dem ZKM für den Unseco-Titel der Medienstadt – bei diesem imposanten Portfolio, kein Wunder.
bis 28.3.2021, ZKM, Karlsruhe
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