4. Karlsruher Wochen gegen Rassismus
Stadtleben // Artikel vom 10.03.2016
Ein überfordertes, in seine Bestandteile zerfallendes Europa; Kanzlerinnen-Abgesänge und Facebook-Hetze.
Flüchtlinge, die am Bahnhof völlig meschugge wie Fußballweltmeister empfangen werden und an der nächsten Straßenecke dümmlichste Parolen entgegenkrakelt bekommen; der harte rechte Widerstands-Kern aus einst besorgten Kargida-Bürgern, die bei der immer radikaler auftretenden AfD ein demokratisches Schlupfloch finden – und ob der schieren Masse zwangsläufig mitimmigrierter Denk- und Handlungsmuster aus dem tiefsten Mittelalter, Polizeiversagen und fehlgeleiteter Political Correctness noch Bestätigung dazu. Momentaufnahmen anno 2016, die die „Internationalen Wochen gegen Rassismus“ unter dem Motto „100 Prozent Menschenwürde – Zusammen gegen Rassismus“ relevanter denn je machen. Und Karlsruhe beteiligt sich zum vierten Mal mit einem vielfach kostenlosen Programm aus Vorträgen, Diskussionen und Workshops, Lesungen, Filmen, Theater und Kabarett, Konzerten und Ausstellungen, das deutlich mehr Schul- und Kinderveranstaltungen umfasst.
Angefangen bei der Eröffnung (Do, 10.3., 20 Uhr, Rathaus am Marktplatz), wenn das Künstlerinnenpaar Ana & Anda u.a. die mit Hans-Thoma-Grundschülern ausgearbeitete Performance „Wo ist Zuhause?“ präsentiert. Außerdem zu Gast: ein Vertreter des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma. Denn der Antiziganismus steht in besonderem Fokus: Das Tollhaus zeigt die Ausstellung „Typisch ,Zigeuner‘?“ über „Mythos und Wirklichkeiten“ in Politik und Medien im historischen Kontext; zum zweiten werden Personen des öffentlichen Lebens hervorgehoben, die einen Sinti- und Roma-Hintergrund haben – etwa Hollywood-Mimen wie Charlie Chaplin, Pola Negri, Rita Hayworth oder Yul Brynner, Schlager-Sängerin Marianne Rosenberg oder Boxer Johann „Rukeli“ Trollmann, dem die Nazis wegen seines „undeutschen“ tänzelnden Kampfstils zuerst den Titel im Halbschwergewicht aberkannten und ihn später im KZ ermordeten. Dazu berichtet Jovica Arvanitelli über die „Lebenswirklichkeit von Sinti und Roma in den sogenannten sicheren Herkunftsländern“ (Di, 15.3., 19.30 Uhr, Tollhaus).
Zu einem besseren gegenseitigen Verständnis beitragen können auch Workshops wie „Stereotypen – Vorurteile – Diskriminierung“ (So, 13.3., 14 Uhr, Karlshochschule), an dessen Ende die Teilnehmer eine Vorstellung davon haben, wie Ressentiments entstehen, sich auswirken und mit welchen Mitteln man sie abbauen kann. Oder „Bewusst weiß sein“ (Mi+Do, 16.+17.3., IBZ; Sa+So, 19.+20.3., Menschenrechtszentrum, jeweils 9-16 Uhr, Kosten: 60 Euro, Anmeldung: freundeskreis.asyl@web.de), bei dem die Frage im Raum steht, ob Weiße ihre strukturellen Privilegien für einen gleichberechtigten Austausch mit People Of Color (POC) oder eher zur Machterhaltung nutzen.
Empowerment KA, eine lokale Interessengemeinschaft für Schwarze Menschen und POCs, lässt TV-Journalistin Anne Chebu in „Schwarz – Weiß – kleinkariert“ (Fr, 18.3., 19.30 Uhr, IBZ) aus ihrem Buch „Anleitung zum Schwarzsein“ vorlesen und auch das „Stummfilm-Festival“ beteiligt sich mit einer Sondervorstellung des Klassikers „Intoleranz“ (Sa, 12.3., 15 Uhr, ZKM-Medientheater), der Begebenheiten von der Antike über die Renaissance bis zur Neuzeit in vier Episoden verknüpft. Wie rassistisch sind unsere Medien?, fragt „Klischee, Rassismus oder Schweigekartell“? (Fr, 11.3., 19 Uhr, Awo-Geschäftsstelle): Iris Tonks vom Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung analysiert in ihrem Vortrag, auf welche Art und Weise über Einwanderung berichtet wird.
Der seit vielen Jahren in rechtsextremen Milieus recherchierende Journalist Olaf Sundermeyer referiert zu „Pegida und die Radikalisierung von rechts. Beobachtungen einer menschenfeindlichen Bewegung“ (Do, 17.3., 19.30 Uhr, Jubez); gleichzeitig tauschen sich im IBZ Vertreter von Judentum, Buddhismus, Christentum, Islam und Bahai darüber aus, ob „unsere Werte in Gefahr“ sind und was die Religionen zur Bewahrung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung beitragen können.
Denn vor allem sollen die „Wochen gegen Rassismus“ Orte der Begegnung schaffen: Die christlich-islamische Gesellschaft lädt zum Gespräch über das „Silvester in Köln“ (Mi, 9.3., 19.30 Uhr, Gemeindesaal der Lutherkirche) und einem gemeinsamen Friedensgebet; beim „Internationalen Kochen gegen Rassismus“ (Sa, 12.3., 16 Uhr, Anmeldung: isc@sw-ka.de) des Studierendenwerks bereiten ausländische Studenten, Wohnheimbewohner, aber auch alle übrigen Gäste ein Zwei-Gänge-Dinner mit Spezialitäten aus verschiedenen Kulturen zu und die islamische Landesreligionsgemeinschaft DITIB errichtet am selben Tag ein „Zelt der Gemeinschaft“ (13-17 Uhr, Friedrichsplatz), wo der mit mehr als 65 Gemeinden größte Vertreter der Muslime in Baden Menschen aller Glaubensrichtungen und Nationalitäten auf einen türkischen Schwarztee hereinbittet. -pat
WEITERE STADTLEBEN-ARTIKEL
Schlosslichtspiele 2025
Stadtleben // Artikel vom 14.08.2025
Ihr Medienkunstspektakel mit globaler Strahlkraft feiert Deutschlands erste und einzige Unesco City Of Media Arts seit 2015.
Weiterlesen … Schlosslichtspiele 202550. Klosterfest Bad Herrenalb
Stadtleben // Artikel vom 02.08.2025
Kulinarische Bummelmeile, Mittelalterdorf, Kunsthandwerk, Kinderspielmobil, Livemusik u.v.m. – das traditionsreiche „Klosterfest“ in Bad Herrenalb bietet auch im 50. Jahr seines Bestehens ein facettenreiches Programm.
Weiterlesen … 50. Klosterfest Bad HerrenalbZwischen Rotstift & Realität: Haushaltsberatungen 2026/27
Stadtleben // Artikel vom 01.08.2025
Was passiert, wenn Haushaltszahlen zur Realität werden?
Weiterlesen … Zwischen Rotstift & Realität: Haushaltsberatungen 2026/27Gastro-News: Schließungen & Otto Genossenschaftskneipe
Stadtleben // Artikel vom 01.08.2025
Nicht nur High-End-Gastronomie wie das Durlacher Sternerestaurant Tawa Yama trudelt, auch das Bio-Fine-Dining-Restaurant Erasmus im Dammerstock ist seit Ende Juni endgültig geschlossen.
Weiterlesen … Gastro-News: Schließungen & Otto Genossenschaftskneipe„Sommerfit“ mit Pfitzenmeier
Stadtleben // Artikel vom 01.08.2025
Die Nummer eins in der Region macht „Sommerfit“.
Weiterlesen … „Sommerfit“ mit PfitzenmeierStaudt – Mode & Accessoires
Stadtleben // Artikel vom 01.08.2025
Mit dem Sommerbeginn sind in Claudia Staudts Boutique wie jedes Jahr im Juli die ersten Kollektionen für den Herbst eingetroffen.
Weiterlesen … Staudt – Mode & AccessoiresDie Innenstadt im Hitzestau
Stadtleben // Artikel vom 01.08.2025
Im Hitzecheck der Deutschen Umwelthilfe erhielt Karlsruhe die rote Karte.
Weiterlesen … Die Innenstadt im HitzestauDie Karlsruher: Unglücklich auf dem absteigenden Ast
Stadtleben // Artikel vom 30.07.2025
Bei der Lebensqualität Platz eins, bei der Lebenszufriedenheit seiner Bürger ganz unten.
Weiterlesen … Die Karlsruher: Unglücklich auf dem absteigenden AstCrowdfunding: Otto – die kleine Genossenschaftskneipe
Stadtleben // Artikel vom 23.07.2025
Mitte Februar mussten sich Tobias Hengherr und seine Weststadt-Kneipe mit dem augenfälligen Astra-Schild nach rund zehn Jahren aus Rentabilitätsgründen vom Betrieb verabschieden.
Weiterlesen … Crowdfunding: Otto – die kleine Genossenschaftskneipe
Kommentare
Einen Kommentar schreiben