60 Jahre Kunstfreiheit

Stadtleben // Artikel vom 21.05.2009

Auch wenn Kunst in erster Linie Ge-schmacksache ist – in letzter Instanz bestimmt immer noch Karlsruhe, was Kunst ist und was nicht.

Das Recht auf freie Meinungsäußerung steht im Artikel 5 des Grundgesetzes ganz vorne an und im dritten Absatz wird auch der Kunst die Freiheit zugesichert. Doch wer denkt nach 60 Jahren Bundesrepublik, in der vieles zur Normalität verkommen ist, noch an entartete Zeiten?

Zwar wird der fünfte Artikel vorbehaltlos gewährleistet, schützt den Werk- und den Wirkbereich der Kunst, also die künstlerischen Betätigungen an sich sowie deren Darbietung und Verbreitung. Wenn sie sich jedoch mit Persönlichkeitsrechten anlegt, fallen auch für die Kunst Schranken. Man denke nur an das "Mephisto-Urteil" des Bundesverfassungsgerichts von 1971 zu Klaus Manns "Roman einer Karriere", dessen Protagonist Hendrik Höfgen zu stark an Gustaf Gründgens erinnerte und deshalb bis in die 1980er Jahre verboten blieb.

Vor der in Karlsruhe beheimateten Hüterin des Grundgesetzes kommen bis heute Freiheiten und Grenzen auf den Prüfstand. Aus diesem Grund widmet sich die Technologie-Region Karlsruhe in Zusammenarbeit mit regionalen Kulturinstitutionen einer Veranstaltungsreihe, die das Grundrecht Kunstfreiheit in den Mittelpunkt rückt.

Zum Auftakt spielt das Theater Baden-Baden am Fr, 22.5., ab 20 Uhr "Das Maß der Dinge" von Neil LaBute. Im Anschluss an die Vorstellung findet unterm Motto "60 Jahre Kunstfreiheit" ein Nachgespräch statt. "60 Jahre Grundgesetz - Grund zum Feiern" heißt es dann am So, 24.5., ab 17 Uhr in Bruchsal, wo das Amateurtheater Koralle und die Badische Landesbühne mit ihren Beiträgen aufs Jahr 1949 zurückblicken. Literarisches und Musikalisches, Nachdenkliches und Unterhaltsames fügen sich dabei zu einem Geburtstagsgruß ans Grundgesetz als ein Kanon der Werte. "Jetzt erst Recht" proklamiert der szenische Reigen der Koralle, die den Abend um 17 Uhr im oberen Foyer des Bürgerzentrums eröffnet. Der Eintritt ist frei.

Weiter geht es um 18.30 Uhr mit einem Podiumsgespräch der Stadt Bruchsal: Sachkundige und Zeitzeugen tauschen ihre Erinnerungen an die Nachkriegszeit aus. Zum Abschluss zeigt die Badische Landesbühne im Hexagon den Staatsakt "Es geht voran", der einige Kapitel deutscher Geschichte seit '49 in Liedern erzählt: Wirtschaftswunder und Kalter Krieg, Fußballweltmeisterschaft, Italienromantik, Studentenproteste und Grand-Prix-Gewinn, Freie Deutsche Jugend, Pakete aus dem Westen und Montagsdemonstrationen; eine musikalische Revue, inszeniert von Carsten Ramm, mit Schlagern, Pionierliedern, Kabarettnummern, poetischen Balladen und Rock- wie Popsongs, zwischen denen auch Fragmente aus legendären Fußballreportagen, Bundestagsreden, Werbekampagnen und lyrischen Texten herausschimmern.

Die Kinemathek Karlsruhe stellt gleich mehrere ihrer Vorstellungen unters Themendach "60 Jahre Kunstfreiheit", darunter "Jadup und Boel" (Do, 28.5., 19 Uhr; Fr, 29.5., 21.30 Uhr; So, 31.5., 19 Uhr), "Sonnabend, Sonntag, Montagfrüh" (Do, 4.6., 19 Uhr; Fr, 5.6., 19 Uhr; So, 7.6., 19 Uhr) oder "Überall ist es besser, wo wir nicht sind" (Do, 25.6., 19 Uhr; Fr, 26.6., 21.30 Uhr; So, 28.6., 19 Uhr).

Vom 9.6. bis 15.7. gastiert "Einmischung erwünscht!", eine Ausstellung der Bundeszentrale für politische Bildung in Zusammenarbeit mit der Stiftung Deutsches Historisches Museums Berlin, im Foyer des Audimax an der Uni Karlsruhe. Vernissage ist am Di, 9.6. um 19.30 Uhr, eröffnet wird durch Hans-Jürgen Papier, den Präsident des Bundesverfassungsgerichts. Zur Finissage am Mi, 15.7. liest Siegmar Mosdorf, Staatssekretär a. D., ab 19.30 Uhr aus Texten von Carlo Schmid. Am Di, 7.7. wird um 19.30 Uhr im Rahmen der Ausstellung vom Zentrum für Angewandte Kulturwissenschaft und Studium Generale der Universität Karlsruhe im Foyer des Audimax das Thema "60 Jahre Kunstfreiheit" diskutiert.

"Kampf - Kritik - Karikatur" - so sind die Begegnungen mit Meisterwerken der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe überschrieben. Los geht's am So, 5.7. um 11 Uhr mit einer Aktion für Familien: Während sich die Erwachsenen unterm Titel "Ein Spötter ist's und scharf sein Scherz" Wissenswertes zu den politischen Karikaturen Honoré Daumiers erzählen lassen, wird eine gleichzeitige Bildbetrachtung mit anschließender Malaktion für Kinder ab fünf Jahren zu "Großes Kastanienbraun mit schwarzen Zeichen" von Antoni Tàpies angeboten. Der Katalane steht auch im Mittelpunkt der Führung "Kunst in Zeiten der Franco-Diktatur“ am Sa, 19.9. um 15 Uhr. Eine Kinderführung beleuchtet parallel die "Berühmtheiten des Juste Milieu" mit anschließendem kreativen Tonarbeiten für Kinder ab fünf Jahren. Eine Anmeldung ist jeweils erforderlich.

Weitere Stationen von "Kampf - Kritik - Karikatur" sind "Blasphemie oder Freiheit der Kunst - Georg Baselitz‚'Fixe Idee' von 1964" (Di, 13.10., 20 Uhr), "Otto Dix, 'Die Sieben Todsünden' von 1933 -  Gesellschaftskritik im Morgengrauen der NS Diktatur“ (Mi, 4.11., 13 Uhr), "Trotz Zensur und Inquisition der Wahrheit verpflichtet - Francisco de Goya, 'Los Desastres de la Guerra' (Fr, 27.11., 10.15 Uhr).

Das Kreisarchiv Rastatt bietet am Do, 24.9. um 18 Uhr eine Führung zum Thema "Otto Laible - Künstler, Professor und stellvertretender Rektor der Kunstakademie Karlsruhe", einem Zeitgenossen von Karl Hubbuch und Wilhelm Schnarrenberger, der sich von den Nazis ab '33 als "entarteter Künstler" bezeichnet erst nach '45 wieder am Kunstgeschehen beteiligen  konnte. "Unzensiert" präsentiert schließlich der Kunstkreis Karlsdorf-Neuthard am Do, 8. und 15.10. jeweils um 20 Uhr Werke von verschiedensten Künstlern der unterschiedlichsten Stilrichtungen aus der Region. -pat

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