Abwicklung der Kultur in vollem Gange: Die Stadt kürzt – die freie Szene kämpft
Stadtleben // Artikel vom 01.06.2025

Leiser wird es in Karlsruhe – aber nicht freiwillig.
Die Stadt kürzt ihre Zuschüsse an Kultureinrichtungen. Schon 2024 gibt’s weniger Geld, ab 2025 könnten es bis zu zehn Prozent sein. Für viele Häuser wäre das das Ende! In der Kulturszene herrscht entsprechend Aufruhr. Schon jetzt kämpfen einige Einrichtungen angesichts steigender Kosten um ihre Existenz. Allein innerhalb des Kulturrings, einem Zusammenschluss der freien Kulturträger, geben sieben Einrichtungen an, dass ihre finanzielle Lage existenzbedrohend sei. Sollten die geplanten Kürzungen ab 2026 tatsächlich kommen, könnte Karlsruhe um noch mehr Kulturstätten ärmer sein, warnt der Kulturring in einem Schreiben an den Gemeinderat, das INKA vorliegt: „Der Preis ist: zehn Kulturinstitutionen zu verlieren, um damit 3,3 Prozent des Haushaltsdefizits auszugleichen.“ Statt Kürzungen bräuchte es eigentlich 500.000 Euro mehr Förderung. Schon jetzt hielten allein Idealismus und Improvisation das Kulturprogramm am Laufen. „Die zehn Prozent sind unser Spielraum, um außergewöhnliche Dinge auf die Bühne zu bringen. Gerade die Experimente sind, was das Tollhaus ausmacht“, sagt Sebastian Bau. Wie viele andere unabhängige Einrichtungen wurde das Tollhaus vor allem vom Idealismus der Gründergeneration getragen, doch die scheidet vielfach aus Altersgründen aus. Für potenzielle Nachfolger sind die niedrigen Gehälter i.d.R. nicht machbar: „Ich lebe von 2.000 Euro netto im Monat“, sagt Fabienne Stocker vom Substage. Ein Zweitjob? Für viele unvermeidlich.
Auch im Kohi brauche es dringend neues Personal, um die mehrmals pro Woche stattfindenden Veranstaltungen aufrechtzuerhalten, sonst sei der ganze Laden bedroht: „Wir sind Opfer unseres Erfolgs, brauchen dringend Leute, können aber keine marktgerechte Bezahlung stemmen und bewegen uns derzeit am Mindestlohnniveau.“ Auch im P8 fällt der geplante Techniker dem Rotstift zum Opfer: „Wenn die Kürzungen kommen, können wir nur noch weniger Veranstaltungen machen.“ Das beträfe vor allem kleinere Bands und Konzerte. Selbstausbeutung kennt auch Christian „Plüschi“ Bundschuh in der Alten Hackerei. Ihm machen derzeit vor allem die massiven Kostensteigerungen der vergangenen Jahre zu schaffen. „Wir bräuchten eigentlich mehr als das Doppelte an institutioneller Förderung.“ Wenn von unten die Ausgaben drücken, tue zwar alles weh, was oben wegfällt, so Plüschi. „Wir bekommen von der Stadt so wenig Geld, da ist die Kürzung fast unerheblich.“ Auch das Kohi bemüht sich seit Jahren erfolglos um eine Erhöhung seiner institutionellen Förderung. In den vergangenen Jahren halfen der Kultur zudem Förderprogramme des Bundes, doch die sind nicht mehr in dem Ausmaß in Sicht. „Über 2026 hinaus sieht es bei uns katastrophal aus“, sagt Thilo Franz vom Kohi. „Da kann man schon Parallelen zum Stadthaushalt ziehen.“ Jenseits der städtischen Förderung haben die Kulturträger kaum Spielräume für weitere Einnahmen. Die von OB Mentrup ins Spiel gebrachte Idee eines verstärkten Mäzenatentum sei obsolet, sagt Plüschi: „Sponsoren im großen Stil zu finden, ohne Personal. Das ist unmöglich. Wir haben sogar einige gefragt, aber die Resonanz war gering.“ Preiserhöhungen? Wegen der angespannten Lage kaum durchsetzbar – und im Substage laut Stocker ohnehin nicht machbar: „Die Preise werden von den Agenturen diktiert, um bundesweit einheitliche Ticketpreise zu haben. Da haben wir keinen Einfluss darauf.“
Ohnehin kämpft die Clubbranche bei kleineren Konzerten bundesweit mit stagnierenden Besucherzahlen, wie eine Auswertung der Gema zeigt. Dazu gehe der Konsum zurück. Die Gäste gingen seltener zur Bar und bleiben nicht mehr so lange. „3 Uhr ist das neue 5“, sagt Plüschi. Eine deutliche Kürzung der Zuschüsse hat Bernd Gnann im Kammertheater schon hinter sich. Wenn jetzt noch mal gekürzt werde, „werden wir auf jeden Fall ein Haus schließen müssen, wissen aber noch nicht welches“. Das KT hat nach der Kürzung die Eintrittspreise erhöht. „Die Zuschauerbeschwerden sind hoch und der Zuspruch ist zurückgegangen“, bilanziert Gnann. Angesichts der Lage und den Investitionen von einer halben Milliarde ins größte Karlsruher Theater hat er einen radikalen Vorschlag: „Wir sollten alle anderen Theater bis auf das Staatstheater pausieren lassen, bis wieder Geld da ist. Zu Tode hungern lassen macht keinen Sinn.“ Als Unternehmer betrachte er das gefühllos und man müsse sich in Notsituationen aufs Wesentliche konzentrieren. Stocker will sich „nicht vorstellen, was fehlt, wenn das Kohi oder die Alte Hackerei weg sind“. Auch wenn das Substage selbst nicht existenzgefährdet sei, ist es ihr wichtig, solidarisch zu sein: „Wir kämpfen dafür, dass es anderen nicht an den Kragen geht.“ Auch Plüschi betont, dass sich die Kultur „nicht gegen das Soziale ausspielen“ lasse. In seinem Schreiben ist es dem Kulturring gleichfalls wichtig, die aktuelle Kulturförderung einzuordnen: 90 Prozent der Mittel fließen an große Institutionen – nur zehn Prozent zur freien Szene. Selbst mit Kürzungen spart die Stadt dort max. 160.000 Euro von den nötigen 80 Mio.
Dabei sei die freie Szene in den kommenden Jahren besonders gefragt, wenn Kunsthalle, Landesmuseum und andere Kultureinrichtungen des Landes wegen Umbauten geschlossen sind. Dazu kommt: Die geplanten Kürzungen der Stadt bei kulturellen Trägern trifft gleich doppelt – denn die meisten Einrichtungen erhalten zusätzliche Unterstützung vom Land. Diese ist allerdings im Verhältnis 1:2 an die städtische gekoppelt. Mit jedem Euro weniger an städtischer Förderung verliert Karlsruhe also Landesgelder. Dazu ist die Stadt auch Vermieterin einiger Kultureinrichtungen. Allein am Alten Schlachthof fließen über 300.000 Euro jährlich als Miete direkt zurück zur Stadt. Die Instandhaltung tragen die Einrichtungen selbst. Nicht nur Geld dafür könnte nach den Kürzungen fehlen. -red
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