Biss zur letzten Rübe – Shopping King (April 2024)

Stadtleben // Artikel vom 01.04.2024

Johannes Hucke (Foto: Gert Steinheimer)

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Eine Kolumne von Johannes Hucke, der seit 2007 die Region mit seinen Weinlesebüchern, Kriminalnovellen und Theaterstücken malträtiert. Jetzt versucht er, INKA mit epikureischem Gedankengut zu destabilisieren. Ein Jahr Karlsruher Gourmetszene, ein weiteres „Tagesausflüge“ ins Umland. Es wird Zeit, erwachsen zu werden. Und seriös! Zu den Kernkompetenzen von Johannes Hucke, Autor von Standardwerken der politischen Ökonomie wie „Iss auf, der Koch kommt!“ oder „Trink aus, wir bleiben!“, gehört das nicht. Aber er gibt sich Mühe. Untertitel seiner hafermilchernsten Produktkritik: „Konsumtion, Reflexion und Agitation unter den Bedingungen spätkapitalistischer Gesellschaften ohne verstaatlichte Produktionsmittel.“ Noch Lust zum Lesen? Do it. Trotzdem.

„Spenglerin Claudia. Die Spenglerin Claudia erzählt aus ihrem Leben als Spenglerin.“ Was es doch für Formate gibt! Formate gibt. Da lernen wir was dazu. Dazu. Ich z.B. weiß gar nicht, wie gespenglert wird. Ist was mit Blech, oder? Viel länger und lieber aber würde ich der Grünkraftexpertin Uschi Durst von der Kräutermanufaktur lauschen, aber die spricht alemannisch. Und es gibt ein Problem: Trockenkräuter sind Urlaubsbilder von Fremden, verglichen mit frischen – da springst du selber ins Meer, rodelst mit Karacho in die Käsespätzlehütte, triffst in den Wäldern das Blaue Licht…

Am romantischsten klingen natürlich Wildkräuter: Die sind allesamt auf das viergestrichene Cis gestimmt. Einmal habe ich an einer Nutzpflanzenwanderungen teilgenommen, sogleich ward ich herbaisiert und graste mit meinem Töchterlein das Weiherfeldwäldchen leer. Bis sich eine Kennerin mal zeigen ließ, was wir gesammelt hatten: Ein Kraut, das ich für Wilde Möhre hielt, bezeichnete sie als „nicht ganz so giftig wie die andern“. Wir haben überlebt. Wie sieht die gemeine Praxis aus: Schnittlauch, Petersilie. Vielleicht auch Kresse. Ab und an bissle Dill. Ziemlich mau, oder, angesichts von 15.000 Kräutlein, die verspeist werden wollen. Und es gibt ein Problem: den Selbstanbau.

Bis auf Salbei, wo ihr ab und zu mal fünf Blättchen für die Butter zu den Gnocchi abzupft, könnt ihr gar nicht genug produzieren: Wenn ihr richtig mit Kräutern kocht und nicht nur so tut. Unten im Kaschten steht versammelt, wie ihr in und um Karlsruhe herum zu Frischkräutern kommt. Ohne Gärtnereien geht’s nicht. Nicht mal die berühmte Kräuterspirale, die sich immer so nach einem alternativen Verhütungsmittel anhört, liefert ausreichend Stoff, wenn ihr sie mit Mühe und Kreuzschmerz ins Gärtchen gewurschtelt habt. Von Fensterbänken sehr zu schweigen; die erzeugen ad hoc Trockenkraut. Wenn ihr nun tatsächlich in den Besitz von frischem Frühlingsgrün gelangt seid, ei, was macht ihr damit?

Wie immer ein paar Tipps, so kostenfrei wie osterfroh. „Grüne Soße“ besteht in Frankfurt aus sieben, in Rheinhessen aus über 21 Kräutern: Schnittlauch schneiden, alle anderen pürieren, mit Schmand, Essig, Öl, Senf und kleingehackten Eiern vermanschen. Vegan geht das als Pesto, am besten mit Cashewkernen. – Löwenzahn, it. Catalogna und Puntarelle, mit Knoblauch in Olivenöl andünsten, unter Pasta mischen, halbgetrocknete Tomaten dazu. – Kerbelrahmsüpple: Kraut in Butter anschwitzen, Semmelbrösel, mit Wein ablöschen, Sahne, Gemüsebrühe, noch mehr Kerbel, S, P, M – und pürieren. Zum Schluss Kerbel. – Brennesseln lassen sich meist ziemlich gut erkennen; solange sie jung sind, einfach wie Blattspinat zubereiten, z.B. als Florentiner Ei: Kartoffelbrei, Brennesselmatsch, Ei, Parmesan. Und dann fröhlich überbacken. Pro Person rechnet man zwei Liter Frühlingswein. Es tönen die Lieder!

Der Kasten

Ich hatte eine Kollegin, die „Kasten“ sagte, wenn sie „Carsten“ meinte. Das war manchmal lustig, etwa: „Die Evi hat den Kasten geküsst!“ Seltsame Geschmäcker haben die Leute… Bitte sehr: Floralive/Rüppurr; Kraut und Rüben/Durlach-Aue; Bernhard Stolz/Neureut. Und Gutenbergmarkt: Kräuterfrau Jung aus Frankenthal!

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