Biss zur letzten Rübe – Shopping King (Dezember/Januar 2023/24)
Stadtleben // Artikel vom 01.12.2023
Hucki käuft Nuuudle
Eine Kolumne von Johannes Hucke, der seit 2007 die Region mit seinen Weinlesebüchern, Kriminalnovellen und Theaterstücken malträtiert. Jetzt versucht er, INKA mit epikureischem Gedankengut zu destabilisieren. Ein Jahr Karlsruher Gourmetszene, ein weiteres „Tagesausflüge“ ins Umland. Es wird Zeit, erwachsen zu werden. Und seriös! Zu den Kernkompetenzen von Johannes Hucke, Autor von Standardwerken der politischen Ökonomie wie „Iss auf, der Koch kommt!“ oder „Trink aus, wir bleiben!“, gehört das nicht. Aber er gibt sich Mühe. Untertitel seiner hafermilchernsten Produktkritik: „Konsumtion, Reflexion und Agitation unter den Bedingungen spätkapitalistischer Gesellschaften ohne verstaatlichte Produktionsmittel.“ Noch Lust zum Lesen? Do it. Trotzdem.
Ihr wisst ja, dass die griechische Philosophie auf Flädlesupp basiert – und damit die abendländische Kultur. Dazu später mehr. Ferner ist bekannt, dass die Trockennudel (Pasta secca) von Arabern im 9. Jh. erfunden wurde. Dazu später nichts. Jetzt aber erst mal der ganze Kindergarten: „Spannenlanger Haaansel, nudeldicke Dirn, gehn wir in den Gaaarten, pflücken wir die Nuuudle…“ Halt, irgendwas war falsch. Richtig, nudeldicke Dirn ist unkorrekt geschändert. Aber wie schändert man Nuuudle, vor allem in Kallsruh? Mein Onkel Horst behauptet gewöhnlich, in seinem Garten baue er „Nudeln mit Soß“ an. Ich habe das nie überprüft.
Es zeigt sich ein Urwunsch in dieser Phantasmagorie: ein Urwunsch nach Nudeln. Der ist aber noch älter: Wie gesagt, von Aristoteles und den Leuten wird berichtet, sie wären ganz heiß auf Suppen mit Teigstreifen drin gewesen, und da sie Peripathetiker waren, also Denker im Gehen, dürfen wir annehmen, dass sie dabei quick and easy Noodle Soup to go gelöffelt haben. Das Ergebnis zeigt sich heute in der Existenz des Okzidents (bitte zehnmal schnell hintereinander aufsagen!). Solche Insiderinfos kriegt ihr nicht bei Wikipedia. Sondern in Marzia Morganti Tempestinis spaghettiförmigem Klassiker „La Pasta.“
Bekommt ihr auch manchmal „Weihnachtsnudeln“ geschenkt? So was Beklopptes, oder? Da sind dann so kleine Tannenbäume drin, halt aus Nudelteig und dreifarbig. So matt uns dies dünkt, es führt gleichwohl zum Thema. Stellt euch mal vor, ihr fragt die Nachbarin, was es am Heiligen Abend gibt, und sie antwortet: „Nuuudle.“ Eines mittleren Mitleidsanfalls könnt ihr Euch nicht erwehren: Klingt ein bisschen trist. Aber immer noch besser als dieser Terrorfraß für Aseptiker, Würstchen mit Kartoffelsalat. Es könnte ja sein, dass es sich um die Unterart Spätzle handelt, die in Gesellschaft von Braten und Rotkraut einherschwimmen auf einer Backpflaumensoße! Oder um schön latschige Bandnudeln, samt Feldsalat zum Sauerbraten serviert.
Wenn ihr keine Lust habt, nicht mal an Weihnachten, Nudeln selber zu machen, also Pasta fresca, kann ich euch auch nicht helfen. Oder doch: Im „Kasten“ stehen prima Tipps. Ihr habt aber Angst vor Spätzle? Wenn ihr sie selbst schaben müsst? Habt ihr nicht. Schwierigkeitsgrad Rührei! Von wegen Ei: Pro 100 Gramm Weizenmehl eins, etwas Salz und Wasser. Rühren! Wer braucht zyklopische Gerät wie den Spätzleschwob? Vor so einem sollte man Angst haben… Ihr nehmt ein Holzbrett und ein Messer. Klacks mittelfesten Teig aufs Brett und mit Gefühl für Rhythmus mitteldünne Streifen in simmerndes Salzwasser schieben. Nach 2,3 Minuten mit dem Schaumlöffel in ein Sieb heben (hab ich schon mal gesagt, dass meine allerälteste Vorfahrin Caroline Schaumlöffel hieß?) Kurz vor der Mahlzeit in Butter braten.
Fertig. Fertig? Hallo? Es ist Weihnachtszeit! Da mörsert ihr vorher ein paar Walnüsse in Ministücke und hebt die mit bissel Zimt unter den Teig. Weil die kleine Anneliese (wann heißen Mädchen endlich nicht mehr Lea-Lia-Luna, Lalali und Lalelu?) aber keinen Braten nie nicht mag, überhäuft ihr die Nussspätzle mit warmen, frischen Semmelbröseln und stellt Apfelbrei dazu. Hei, wie das duftet! Klingelingeling, da kommt der Reifendienst. Schon wieder falsch? Ihr wisst aber auch alles besser.
Der Kasten
Und hier ein paar der vorzüglichsten Nudelmachereien im Umkreis: (Pasta)werk der Hochschulgastronomie Karlsruhe – sogar „mit Wasser aus der Oberrheinebene“; Zabler Bruchsal Hochzeit Nudeln und Bio-Marke Paradiso; Pasta Nuova Graben-Neudorf (bio und regional, auch glutenfrei und vegan, Schupfnudeln und Spätzle); Pastamanufaktur Zia Pina Ettlingenweier (etwa Tortelacci mit Kastanien und Winteräpfeln); Vibema italienische Teigwaren aus Linkenheim-Hochstetten: Probiert die Sacchetti! Knoll Teigwarenfabrik Straubenhardt (z.B. Bandnudeln, gewalzt seit 1964); Badische Nudelmanufaktur Eichstetten (Eiernudeln in Bioqualität).
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