Biss zur letzten Rübe – Shopping King (Dezember/Januar 2024/25)
Stadtleben // Artikel vom 01.12.2024
Auf einen Llanfairpwllgwyngyllgogerychwyrndrobwllllantysiliogogogoch mit Jakobs Engel
Eine Kolumne von Johannes Hucke, der seit 2007 die Region mit seinen Weinlesebüchern, Kriminalnovellen und Theaterstücken malträtiert. Jetzt versucht er, INKA mit epikureischem Gedankengut zu destabilisieren. Ein Jahr Karlsruher Gourmetszene, ein weiteres „Tagesausflüge“ ins Umland. Es wird Zeit, erwachsen zu werden. Und seriös! Zu den Kernkompetenzen von Johannes Hucke, Autor von Standardwerken der politischen Ökonomie wie „Iss auf, der Koch kommt!“ oder „Trink aus, wir bleiben!“, gehört das nicht. Aber er gibt sich Mühe. Untertitel seiner hafermilchernsten Produktkritik: „Konsumtion, Reflexion und Agitation unter den Bedingungen spätkapitalistischer Gesellschaften ohne verstaatlichte Produktionsmittel.“ Noch Lust zum Lesen? Do it. Trotzdem.
Erinnert ihr euch an die Schlussszene aus dem nie gedrehten Film „Sechs Wochen im Oktober?“ Wo die Enkelin von Alain Delon zum Großneffen von Romy Schneider meint: „Was steht in der Bibel?“ Er muss kaum nachdenken… und liefert absichtlich das falsche Zitat: „Der Herr ist sehr freundlich, und seine Güte währet ewiglich.“ Und dann trennen sie sich. Romy 3 geht ganz langsam diese Friedhofsallee hinunter und Alain 5 taucht hinter den Plastikkannen ab. Das ist Existentialismus, das ist Drama! Es wird einem ganz schwarz-weiß ums Herz! – Nicht weniger dramatisch: Wie kriege ich den Übergang zum Thema? Ah, da kommt er die Friedhofsallee zurückgeschlurft, diesmal in Gestalt von Humphrey Bogart: „Man muss dem Leben immer mindestens einen Whisky voraus sein.“ So redeten die Kerle, da sie noch Trenchcoats anhaben durften und sich nicht als nackige Tölpel für Komödienzwecke missbrauchen ließen. Whisky also. Für den Gesamtkorpus unserer Gesellschaft, die an schwerer Askese leidet, bedeutet er die Ausrede gegenüber dem Engel Gottes: „Wir sind gar nicht so undankbar, guck, ab einem Einkommen von 8.000 netto pro Monat saufen wir sogar Getreideschnaps!“ Irre: Vom Weingenuss kehren wir uns unfromm ab, doch allüberall keimen Aqua-Vitae-Clubs aus den Großstadtböden … Zur Erinnerung, so heißt das Zeug auf Keltisch: uisge beatha, Wasser des Lebens. Das ist so ernst gemeint, dass den Schnöseln auf ihren teuren Tastings das Probiergläsle aus der Hand flutschen müsste. Warum mecker ich eigentlich hier rum?
Whisky gehört zum Feinsten, was menschliche Kunstfertigkeit hervorgebracht hat; statt uns über sozial abgesetzte Typen in Berlin aufzuregen, schauen wir lieber mal, was Karlsruhe aus dem Eichenfässchen zapft. Ich habe immer noch den Eindruck, dass einige gar nicht bemerkt haben, was in der Bulacher Litzenhardtstr. 38 seit 2015 entstanden ist. Achtung, hier die offensivste Schleichwerbung aller Zeiten: Wer sich noch nicht ganz aufgegeben hat, muss unbedingt mal hin zur Scriptor-Brennerei samt Hofladen! Judith und Manfred Schreiber haben besten Karlsruher Gin, frisches Gemüse, Irrsinniges wie „Alte Haselnuss“ (selber!) und Pistazienlikör, aber eben auch eine fabelhafte Varietät selbstgebrannter Whiskys. Der „Weihnachtswhisky“ dürfte die Top-Empfehlung für diesen Dezember sein. Und mein Weihnachtswein ’24? Schreibers Badischer Most. Zum Apéro ein Most-Drink erster Ordnung. Prost Most!
Der Kasten
Übrigens, Llanfairpwllgwyngyllgogerychwyrndrobwllllantysiliogogogoch ist gar keine Whiskymarke, sondern der längste Ortsname der Welt, natürlich Wales, wobei aus Schottland freilich die berühmtesten und teuersten Whiskys stammen. Stellt euch vor, ihr gebt 2,5 Mio. für ’ne Flasche Schnaps aus (Macallan aus 1926) und dann schmeckt der nach „Trockenfrüchten“. Hättet ihr euch auch 900.000 Packungen Studentenfutter in Bio kaufen können (gewonnen hat die World-Challenge zuletzt Japan). Weitere Whisky-Adressen in der Nähe: Kammer-Kirsch in Mühlburg; Harald Kempf, Rotwein-Kardinal von 69254 Malsch; „Whisky in Karlsruhe“, KA-Hbf.
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