Bundestagswahl 2013 in Karlsruhe

Stadtleben // Artikel vom 14.09.2013

Ich werde ständig gefragt, wen man denn nun bei der Bundestagswahl wählen soll und die wären doch eh alle abgesichert.

Dem ist in Karlsruhe nicht so, abgesichert über einen Listenplatz ist nur Sylvia Kotting-Uhl von den Grünen. Deren eher verschämte indirekte SPD-Wahlempfehlung für das Direktmandat kommt dadurch zum Ausdruck, dass meist neutrale Grünen-Plakate mit Slogans die Ständer zieren. Ansonsten?

Die Opposition hat wie die Regierung keinen einzigen relevanten Vorschlag auf den Weg gebracht, die Sozialgesellschaft für die Zukunft zu rüsten. Einer meiner Vorschläge wäre zum Beispiel, endlich mal was für die hunderttausenden an Künstlern und Kunst-Arbeitern zu tun, die in Deutschland in prekariatsähnlichen oder gefährdeten Verhältnissen arbeiten – sie haben weniger Schutz als ein Lagerhelfer und können von 8,50 Euro Mindestlohn nur träumen. Stattdessen wird allen Ernstes über Kürzungen der Zuschüsse zur Künstlersozialkasse diskutiert.

Von daher: SPD-Kandidat Marvi, der seit Anfang des Jahres einen fast abartig engagierten Wahlkampf führt mit ungezählten Orts- und persönlichen Terminen, tritt bei der Direktwahl gegen „Welle“ an – wer gewinnt, ist drin, wer verliert, bleibt draußen.

Patrick Wurster hat für INKA einigen Kandidaten drei Fragen gestellt – macht euch selbst ein Bild. Die FDP sah sich übrigens „aus Zeit- und Krankheitsgründen“ nicht in der Lage, binnen eines Sommers „den Fragenkatalog“ zu beantworten... -rw

 

Die INKA-Fragen zur Wahl:

1.) Wofür stehen Sie und wie sieht Ihre Prioritätenliste aus?

2.) Wie wollen Sie Karlsruhe in Berlin vertreten und wo besteht der größte Handlungsbedarf?

3.) Wie lauten Ihre Antworten auf die Streitfragen zweite Rheinbrücke/Nordtangente und KSC-Stadion?

Parsa Marvi (SPD)
1. Meine Priorität sind Themen, die die Lebensrealität vieler Menschen treffen: bezahlbares Wohnen durch mehr sozialen und genossenschaftlichen Wohnungsbau und Senkung der Stromsteuer für private Haushalte, der Ausbau von Krippen und Kitas, gleicher Lohn für gleiche Arbeit bei Leiharbeit und bei der Bezahlung von Frauen und Männern, ein Mindestlohn von 8,50 Euro, ökologische Erneuerung der Industrie, die doppelte Staatsbürgerschaft und das Ermöglichen von Volksentscheiden auf Bundesebene.

2. Ich möchte zur Stärkung des Einflusses von Karlsruhe in Berlin beitragen. Als bundespolitische Top-Themen für die Weiterentwicklung unserer Stadt sehe ich: die Förderung der Karlsruher Hochschulen – insbesondere des KIT – und der Karlsruher Kulturinstitutionen, die Partizipation Karlsruhes am Programm „Soziale Stadt“, Lösungen für die Finanzierung des Klinikums, die mit Mindestpersonalstandards einhergehen, und den Ausbau der wohnortnahen Pflege sowie die Gewinnung von mehr Pflegefachkräften.

3. Die Nordtangente mit Durchstich des Hardtwaldes lehne ich ab. Die SPD setzt sich für eine leistungsfähige Rheinquerung ein, lehnt aber die geplante zweite Rheinbrücke ab, denn wir halten uns an den Faktencheck. Wir müssen schnellstmöglich sinnvolle Alternativen prüfen und durchsetzen. Zum Stadionstandort Wildpark sehe ich keine realistische Alternative. Gegen alle anderen Standorte sprechen elementare finanzielle, klimaschutzpolitische und die Lebensqualität betreffende Argumente.

Ingo Wellenreuther (CDU)
1.) Ich sehe es als eine meiner Hauptaufgaben als Abgeordneter an, in Karlsruhe direkter Ansprechpartner für die Bevölkerung zu sein. Die Themenbereiche Innen und Recht, Wirtschaft und Arbeit sowie Familie und Bildung liegen mir seit meinem Einzug in den Bundestag sehr am Herzen.

2.) Als zweitgrößte Stadt in Baden-Württemberg braucht Karlsruhe in Berlin eine starke Stimme und einen Abgeordneten, der tatkräftig, erfahren und bürgernah ist. Alles, was gut und wichtig ist für die Menschen in unserer Stadt, werde ich engagiert vertreten. Dazu zählen beispielsweise auch die Weiterentwicklung des KIT und Fragen der Kinderbetreuung.

3.) Eine funktionierende Rheinquerung ist für Karlsruhe als Stadt mit steigender Bevölkerungszahl und Zentrum der wachstumsstarken TechnologieRegion von entscheidender Bedeutung. Wir brauchen eine zweite Rheinbrücke, für die ich mich auf Bundesebene weiter starkmachen werde, beispielsweise im Rahmen der Erstellung des neuen Bundesverkehrswegeplans. Die Stadt hat unter der Führung des Oberbürgermeisters die Initiative übernommen, um als zukünftiger Bauherr eines neuen Stadions die Standortfrage zu klären. Der KSC soll auch zukünftig Pächter des Stadions sein und kann an jedem der drei zuletzt untersuchten Standorte in die Zukunft gehen – auch im Wildpark, wenn dort wichtige Probleme befriedigend beantwortet werden können.

Sylvia Kotting-Uhl (Bündnis 90/Die Grünen)
1.) Ich bin Umwelt- und Energiepolitikerin mit einem ausgeprägten Interesse an Gerechtigkeit. Ich stehe für das Ziel Energiewende, den vollständigen Ausstieg aus der Atomkraft – auch in der Forschung – und einen ernst gemeinten Natur- und Umweltschutz. Zu einer gerechten Gesellschaft gehören bessere Bildungschancen für alle Kinder, der Mindestlohn, ein gerechteres Steuersystem und endlich die Gleichstellung für Frauen, was Lohn, Aufstiegschancen sowie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf betrifft.

2.) Handlungsbedarf besteht bei Lärmschutz und Luftreinhaltung – es gibt zu viele Kraftwerke! Und bei der Erhöhung der Bundesgelder für Wohnraumförderung sowie dem Programm „Soziale Stadt“, das lokale Wirtschaft und Handwerk fördert. Die energetische Sanierung braucht Programme, die für Mieter und Vermieter tragbar sind. Das Karlsruher Klinikum ist auf Verbesserung des Krankenhausfinanzierungsgesetzes angewiesen. Vom Mindestlohn profitiert auch Karlsruhe, das bisher für 4.000 sogenannte Aufstocker die Kosten der Unterkunft übernimmt.

3.) Die geplante Brücke ist mit ihren negativen Auswirkungen auf Bevölkerung und Natur nicht genehmigungsfähig. Sie löst das Problem überdies nicht, weil sie den Stau nur um einen Kilometer nach Osten verlagert. Die bessere Lösung könnte eine Ersatzbrücke mit zwei baulich getrennten Richtungsfahrbahnen sein, die schnelle Lösung ist eine Ausweitung des ÖPNV. Bundesligafußball braucht in Karlsruhe gute Voraussetzungen. Dazu scheinen mir Umbau und Sanierung des Wildpark-Stadions die einzig realistische Option.

Karin Binder (Die Linke)
1.) Frieden und soziale Gerechtigkeit stehen auf meiner Liste ganz oben. Das bedeutet zum einen: Keine Auslandseinsätze der Bundeswehr mehr! Zum anderen muss in Deutschland endlich der flächendeckende gesetzliche Mindestlohn eingeführt und prekäre Beschäftigung, z.B. Ein-Euro-Jobs und Leiharbeit, abgeschafft werden. Außerdem werde ich mich weiter für eine flächendeckende kostenfreie Kita- und Schulverpflegung einsetzen, die der Bund mitfinanzieren soll.

2.) Menschen mit niedrigem Einkommen, Familien, Rentner oder Studenten kämpfen mit ständig steigenden Mieten. Karlsruhe braucht dringend Mittel für sozialen Wohnungsbau. Um bundesweit flächendeckend preiswerten Wohnraum mit guten energiesparenden Standards zu bauen, müssen entsprechende Bundesmittel aufgebracht werden. Auch die Finanzierung der Forschungseinrichtungen und des KIT muss gesichert werden. Die Unabhängigkeit von Forschung und Lehre wird in Frage gestellt, wenn der Betrieb nur noch mit Drittmitteln funktioniert. Beides muss ausreichend staatlich finanziert werden. Eine Zivilklausel am KIT würde verhindern, dass Gelder in militärische Forschung fließen, die nur privaten Rüstungskonzernen zugutekommt.

3.) Eine zweite Rheinbrücke wird die Stauprobleme durch ein höheres Aufkommen im Pendlerverkehr eher vergrößern. Die Linke setzt vielmehr auf den Ausbau des ÖPNV, z.B. über den Rhein hinweg in die Pfalz. Eine Schienenbrücke halte ich für sinnvoll.

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